Volkswagen hatte das Thema Elektroauto schon lange wenn schon nicht im Fokus, doch immer im Augenwinkel, genauso übrigens wie elektrisch unterstützte Spritspartechnologien, man denke an den Golf III mit Start-Stopp-System und Schwungnutzautomatik von 1994, heute nennt man das Segeln. Auch an einem Elektrogolf wurde über viele Jahre sozusagen im Standby-Modus rumentwickelt, wahrscheinlich um dabei zu sein, wenn’s dann endlich losgeht, das war von 1976 bis 1981. Dann waren die beiden Ölkrisen vorbei und die Idee wieder weg.
Sperriger Baukasten-Begriff
Die Frage ist natürlich immer, wie viel Energie ein Autohersteller in einen Technologiewandel steckt, und das dürfte eben davon abhängen, wie groß der Druck von außen ist. Und der ist momentan schon sehr groß, denn Volkswagen hat soeben seine Elektro-Strategie präsentiert, und zwar nicht in Form hochfliegender aber vager Prophezeiungen, sondern in wahrhaftiger Gestalt des modularen Elektrotechnik-Baukastens (MEB), in Analogie zum modularen Quer- und Längsbaukasten der Verbrenner-Modelle. Heute würde man das ja nicht mehr so sperrig nennen, heute käme wohl ein flutschiger Anglizismus zum Zug. Der Ausbau der Elektroantriebe folgt ja einer konzernweiten Strategie, das breite Mittelfeld stellt dabei der MEB von Volkswagen (auch für Audi und die anderen Konzernmarken) dar, eine eigene Plattform gibt es dann für die größeren Modelle von Porsche (auch für Audi). Das klingt übrigens schon flotter, wir dachten es doch: Premium Platform Electric (PPE).
VW ID: Kürzer, höher, mehr Platz
Der MEB orientiert sich an der Größe des Golf als Grundlinie. Das erste konkrete Modell wird ab Ende 2019 in Zwickau als VW ID gebaut, also dort wo zu Ostblock-Zeiten noch der zweitaktknatternde Trabant vom Band lief oder besser ausformuliert, die Manufaktur im volkseigenen Betrieb (VEB) verließ. Der ID wird ein bisschen höher und ein bisschen kürzer zugleich geräumiger als der Golf sein und etwas mehr Radstand besitzen. Das ergibt sich unter anderem aus der Notwendigkeit, möglichst viel Platz für die Batterien am Unterboden zwischen Vorder- und Hinterachse zu schaffen, bringt gleichzeitig auch einiges an zusätzlichem Platz für die Passagiere. Zwei Phänomene, die auf den Elektroantrieb zurückzuführen sind: Die Motorhaube kann aufgrund des geringeren Platzbedarfs gegenüber einem Verbrenner mit seiner voluminösen Antriebseinheit aus Motor, Getriebe und Abgasreinigung sehr kurz gehalten werden. Das Fahrzeug wird aber etwas höher, da am Wagenboden die Batterien untergebracht sind, ein Paket, das auch wegen der massiven Sicherheitsummantelung seinen Platz fordert. Aus Kostengründen werden keine exotischen Leichtbaumaterialien verwendet.
Wie der Käfer: Heckmotor, Heckantrieb
Fast so grundsätzlich wie die Umstellung von Verbrennungsmotor auf Elektromotor klingt die Tatsache, dass der Antrieb wie beim alten Käfer nun wieder über die Hinterräder erfolgt. Vom Gesamtkonzept her ist das sehr gut nachvollziehbar, wie sich das im alpinen winterlichen Alltag auswirken wird, ist freihändig nicht vorherzusagen. Immerhin sieht das Konzept auf Wunsch auch einen zusätzlichen Motor an der Vorderachse, also Allradantrieb vor. Grundsätzlich hat die Trennung von Lenkung und Antrieb bei Fahrdynamik und Fahrkomfort durchaus ihren Reiz. Wir erleben es etwa beim starken Hyundai Kona mit 204 PS, dass die Antriebsschlupfregelung an der Vorderachse mit dem enormen Drehmoment des Elektromotors überfordert ist. Das mit dem Schwenk zum Hinterradantrieb ist also sicher wohlüberlegt.
Kein leichtgewichtiges City-Car
Wie ernst man es nun meint, auch tatsächlich in die Stückzahlen zu gehen, zeigt die Tatsache, dass VW auch geplante Stückzahlen bekannt gibt.: 10 Millionen Konzernfahrzeuge sollen auf dieser Grundlage vom Band laufen. Bis 2022 soll weltweit die Produktion von 27 MEB-Fahrzeugen für vier Konzernmarken anlaufen. Das erklärt natürlich den bisherigen Elektro-Golf bereits zum Auslaufmodell, der ja vor allem seit seiner Überarbeitung ein exzellentes Elektroauto ist. Doch auf den bestehenden Fronttriebler aufgebaut, ist vor allem seine komplexe Batteriearchitektur ein Kostentreiber. Die Lust, dieses Auto noch in hohe Stückzahlen zu treiben dürfte gering sein. Der elektrische Up! hingegen dürfte noch länger bleiben, denn für Fahrzeuge unterhalb des MEB ist vorläufig kein eigener Baukasten vorgesehen, zumindest wird über Pläne in Richtung eines leichtgewichtigen City-E-Cars noch nichts verraten.
Batteriefertigung: Druck aus Asien
In Sachen Batterietechnologie ist klar: Derzeit keine eigene Fertigung von Batteriezellen, aber im Hintergrund wird durchaus daran geforscht, einerseits an der Lithium-Ionen-Technik aber parallel dazu auch schon an kommenden Generationen etwa der Festkörper-Batterie. Die Abhängigkeit der europäischen Industrie von asiatischen Zelllieferanten ist zweifellos unangenehm, auch wenn oder gerade weil Koreaner, Japaner und Chinesen, nun auch in Europa eigene Zellfertigung aufziehen.
Batterie: Jetzt mit Kühlung
Das Zusammenfügen der Batteriezellen zur Funktionseinheit Batterie hingegen beherrschen die Europäer (BMW, Renault) und auch VW sehr gut. Denn erst die intelligente Steuerung der ganzen Batterie entscheidet über Nutzungsgrad und Lebensdauer des Pakets und erfordert enormen Forschungsaufwand. Volkswagen verwendet so genannte Pouch-Zellen, ist aber je nach Verfügbarkeit auch in der Lage, an gleicher Stelle prismatische Zellen einzusetzen. Im Gegensatz zum bisherigen e-Golf besitzen die Batterien nun eine Kühlung, was vor allem bedeutet, dass sie auch vorgewärmt werden können. Das verbessert ihre Wintereigenschaften deutlich.
ID-Reihe: Made in Germany
Diese Volkswagen ID-Reihe, so wie sie schon auf mehreren Autosalons präsentiert wurde und die jetzt auch ein konkretes Innenleben bekommen hat, wird in Deutschland entwickelt (Wolfsburg) und gebaut (Leipzig). Die Elektrokomponenten werden in Salzgiter entwickelt und Kassel (E-Motoren) und Braunschweig (Batterien) gebaut, wo auch jetzt schon die Speicher für die bestehenden E-Autos und Plug-in-Hyride hergestellt werden. In China läuft natürlich auch einiges, aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Rudolf Skarics