E-Autos laden: Gefahr für das Stromnetz

Immer größere Batterien in den Fahrzeugen verlangen nach immer höheren Ladeleistungen, damit diese auch in entsprechend kurzer Zeit vollgeladen werden können. Das Wettrennen um die kürzesten Ladezeiten kann natürlich nur an einer üppig dimensionierten öffentlichen Gleichstrom-Schnellladestation stattfinden, mit Ladeleistungen weit jenseits von 50 Kilowatt. Das ist auch verständlich, denn wer unterwegs die Batterien aufladen will, möchte nicht viel länger warten als beim Tanken eines Benziners oder Diesels. Zumindest sollte die Wartezeit die Länge einer Kaffeepause nicht überschreiten. Die Technik in den Autos und auch an der Ladeinfrastruktur ist in dieser Hinsicht gut auf Kurs. Aber Ultra-Schnellladen stresst die Batterien, verkürzt ihre Lebensdauer und ist auch wesentlich teurer. Gleichzeitig ist das Laden unterwegs für die meisten Autofahrenden ohnehin nur selten notwendig.

E-Autos laden: Gefahr für das Stromnetz
Immer größere Batterien erfordern und erlauben immer höhere Ladeleistungen und setzen das Stromnetz unter Stress. © BMW

Laden im Schlaf und im Büro

Überwiegend werden Elektroautos ohnehin zuhause oder im Büro, nachts oder tagsüber geladen. Es bleibt also Stunden dafür Zeit, die Reichweite des Elektroautos behutsamer wieder anzuheben. Trotzdem hat auch beim beschleunigten Laden mit Wechselstrom ein Wettlauf um kürzere Ladezeiten eingesetzt. Waren viele Elektroautos der ersten Generation nur mit einphasigen Ladegeräten ausgestattet, gilt mittlerweile dreiphasiges Laden als Standard, jedenfalls für in Europa ausgelieferte Elektroautos. Das erscheint nicht unbedingt als Folgewirkung von Vernunft oder geschickter Planung, sondern viel eher als Resultat des Wettbewerbs, wo die größere Zahl immer gegen die kleinere gewinnt.

E-Autos laden: Gefahr für das Stromnetz
Laden im Büro: Da bleibt Stunden Zeit: 3,7 Kilowatt genügen, aber oft auch noch weniger. ©Skarics

Zurück zu Einphasig

Bisher waren viele Elektroautos nur für einphasiges Wechselstromladen vorgesehen. Die in Datenblättern, Prospekten und Fahrzeugunterlagen angegebenen Ladeleistungen von bis zu 7,4 kW (bis zu 32 Ampere) erlaubt das österreichische Stromnetz aber nicht. Einphasiges Laden ist auf 16 Ampere begrenzt, das entspricht maximal 3,7 kW. Diese „geringe“ Ladeleistung wurde als Makel gesehen. Der Ausweg hieß dreiphasige Bordladegeräte für 11 kW. Die haben die Autos jetzt überwiegend.

Sind 3,7 Kilowatt genug?

3,7 kW sieht tatsächlich nach wenig aus. Denn bei einer Batteriekapazität von 70 kWh heißt das nach zehn Stunden Laden nur „halbvoll“. Doch: Bei einem realistischen Verbrauch eines Elektroautos von 18 kWh pro 100 km sind das mehr als 200 km Reichweite, die in 10 Stunden nachgeladen werden. Das ist weit mehr als die meisten Elektroautofahrenden überhaupt in einem Tag zurücklegen. Außerdem ist die Batterie oft noch halbvoll, wenn man das Ladekabel ansteckt. Das heißt, Laden mit 3,7 kW schont die Batterie und reicht für die meisten Nutzungsformen von Elektroautos aus, zumal man ja ohnehin unterwegs schnellladen kann, sollte einmal doch der Strom zu Ende gehen.

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Wer wirklich schnell laden will, benötigt einen CCS-Combo-Stecker jenseits von 100 kW Ladeleistung, das geht daheim sowieso nicht. © Skarics

Starkstromsteckdose als Standard

Das steht in Widerspruch zu den technischen Möglichkeiten. Fast jeder österreichische Haushaltsanschluss ist technisch für eine Leistungsabgabe von 11 kW gerüstet. Denn fast jedes österreichische Einfamilienhaus besitzt eine so genannte Starkstromsteckdose, also die rote Steckdose, meist in der Garage oder im Keller angebracht, mit 400 Volt, 16 Ampere und 11 kW Leistung. Rund die Hälfte der österreichischen Bevölkerung lebt in Einfamilien- oder Doppelhäusern, hat also ungehinderten Zugriff auf Drehstrom mit 11 kW.

Bis das Trafohäusl glüht

Das ist gut so, denn damit ist auch der Betrieb leistungsstarker elektrischer Geräte und Einrichtungen im und ums Haus problemlos möglich. Der springende Punkt ist aber, dass hohe Leistungen üblicherweise nur über kurze Zeit abgerufen werden und nicht gleichzeitig. Das Elektroauto hingegen zieht über Stunden kontinuierlich Strom aus dem Netz. Wenn das nun mehrere Nachbarn gleichzeitig machen, kann es zu einer Überlastung im vorgelagerten Stromnetz kommen. Oder sehr bildlich gesprochen: Das Trafohäusl in der Nähe glüht.

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Das Notladekabel mit Schukostecker ist gefährlich, wenn das Stromnetz dahinter schwächelt. © Skarics

11 Kilowatt eher als Ausnahme

Mit einer Beschränkung für das private Laden von Elektroautos auf 3,7 kW wäre ein großer Teil der Stromnetze schon im derzeitigen Zustand fit fürs Elektroauto. So eine Limitierung wäre aber eher als Notmaßnahme zu sehen, denn das Laden mit 11 kW ist trotzdem ohne dramatischen Netzausbau möglich, wenn die heutigen elektronischen Mittel zur Last- und Ladesteuerung angewendet werden. Dabei geht es vor allem darum, die Ladeleistungen in den späten Nachmittags- und frühen Abendstunden zu begrenzen, weil zu dieser Zeit der Strombedarf in privaten Haushalten generell am höchsten ist.

Es besteht also durchaus die Möglichkeit, dass Energieversorger und Netzbetreiber mit zunehmender Zahl an Elektroautos die Montage von dreiphasigen Wallboxen mit 11 kW bei einzelnen Haushaltsanschlüssen nicht mehr genehmigen werden. Jedenfalls so lange keine Einrichtung vorgeschaltet ist, die den Strombezug zu Spitzenlastzeiten limitiert.

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Typ-2-Ladekabel mit Wallbox ist auch bei einphasigem Laden zu empfehlen, da sicher und stabil. © Skarics

Privat Laden mit Provider

Betrachtet man eine mittel- und längerfristige Entwicklung vor allem in Ballungsräumen, könnte privates Laden, abgerechnet über den eigenen Haushalts-Stromzähler, wohl zum Auslaufmodell werden. Der Betrieb von Ladestationen in Wohnhausanlagen erfordert eine nutzerübergreifende Steuerung. Für diesen Geschäftszweig haben sich bereits einige Unternehmen in Stellung gebracht. Damit sind 11 kW Anschlussleistung auch in Ballungsräumen für viele Autos gleichzeitig realisierbar. Für Flottenbetrieb ist ohnehin nichts anderes vorstellbar. Zum Haushaltstarif wird es das allerdings kaum geben.

Rudolf Skarics

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