Das erste Mal Wasserstofftanken ist jedenfalls spannend: Ob des ungewöhnlichen gasförmigen Treibstoffs suchst du zuerst in der Bedienungsanleitung nach Hinweisen dazu, findest aber im Stichwortverzeichnis weder zu „Tanken“ noch zu „Kraftstoff“ oder „Treibstoff“ etwas. Dann denkst du dir, werd’ ich wohl freihändig auch schaffen, steigst aus und setzt gleich wie beim Erdgas den Tankrüssel an den Einfüllstutzen – so wie es auch die Anleitung an der Zapfsäule empfiehlt. Dann drückst du auf „Start“, der grüne Knopf blinkt. Scheinbar nichts tut sich, du bist ein bisschen unsicher, ob eh alles passt, zweifelst, ob der Anschluss dicht ist. Aber dann fängt die Anlage an, seltsame Geräusche von sich zu geben, es knackt und pfeift ein bisserl, plötzlich setzt sich das Zählwerk in Bewegung, und nach zwei oder drei Minuten leuchtet der rote Knopf, und die ganze Anlage im Hintergrund macht ziemlich laute Pumpgeräusche, so dass sich zwei Zuschauer, die sich dazugesellt hatten, mit eingezogenen Schultern wieder verzupfen. Dann denk ich darüber nach, ob das schon alles war. Der Rüssel lässt sich jedenfalls widerstandslos abziehen. Tanken beendet… Die Rechnung keine böse Überraschung: Neun Euro pro Kilogramm – für das Auffüllen eines nicht ganz leeren Tanks macht das 40 Euro.
Wasserstoff noch immer eine Rarität
Dass sich inzwischen ein zweites Wasserstoffauto hinter mir angestellt hat, ist eher Zufall. Derzeit sind nur rund zwei Dutzend Wasserstoffautos in Österreich zugelassen. Für sie stehen 5 Tankstellen zur Verfügung, in Wien, Nr. Neudorf, Graz, Asten bei Linz und Innsbruck. Es gibt drei serienmäßig hergestellte Wasserstoff-Autos weltweit, Honda Clarity, Totoya Mirai und eben diesen Hyundai Nexo. Den Honda gibt es nur in Japan und USA, Toyota und Hyundai sind auch in Europa erhältlich, für den Hyundai gibt es sogar einen österreichischen Preis, nämlich exakt 79.800 Euro, inklusive Steuern (aber vor Abzug des Händleranteils der Elektroautoförderung von 1.800 Euro).
Friendly User als erste Kunden
Es handelt sich dabei um die wenigen Autos, die nicht um des Verkaufens willen angeboten werden, sondern mit höheren, jedenfalls zusätzlichen Motiven. Hyundai nennt seine Wasserstoff-Kundschaft „Friendly User“ und meint damit Käufer, die auch bereit sind, Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen, die mit Einführung einer komplett neuen Technologie in Verbindung stehen, etwa das dünne Tankstellennetz, vielleicht auch die eine oder andere Funktionseinschränkung im Betrieb. So befindet sich das Vorgängermodell ix35 FCEV durchwegs in Händen von Unternehmen, die an einem oder mehreren der europäischen Wasserstoff-Forschungsprojekte beteiligt sind (Energieversorger, chemische Industrie, Elektrotechnik und Elektronik). Und so ist es auch für den Nexo angedacht. Eitelkeit, Prominenz und Reichtum, üblicherweise die wesentlichen Tugenden, um an begehrte Automobile ranzukommen, sind hier nicht die primären Kriterien, um so ein Auto zu kaufen.
Wasserstoff kommt, aber langsam
Der Markt für Wasserstoffautos ist klein und wird aller Voraussicht nach nicht explodieren. Waren es 2016 noch rund 3200 verkaufte Autos weltweit, sollen laut Frost und Sullivan bis 2030 rund eine halbe Million produziert werden. Zum Vergleich: Die Weltjahresproduktion an Automobilen liegt bei einer Größenordnung von 100 Millionen Stück. Und überhaupt: Noch ist gar nicht sicher, in welchem Maß sich die Brennstoffzelle überhaupt beim Personenwagendurchsetzen wird.
Statt Pu ein Lackerl gemacht
Was unser konkretes Modell anbelangt, zweifeln wir nicht daran, dass die Brennstoffzelle Sinn macht. Das ganze System wirkt sehr verlässlich, der einzige Moment, an dem sich die Komplexität der Energieumwandlung auch für Laien bemerkbar macht, ist das Abstellen nach einer längeren Etappe: Dann dampft es unter Knistern und Schnauben hinten raus, dann rinnt Wasser aus dem an sich unsichtbaren Auspuff am Wagenboden, dann beruhigt sich alles wieder, und am Ende gibt es ein Lackerl am Garagenboden, nicht viel mehr als von einer Klimaanlage gewohnt.
Weder spektakulär noch enttäuschend
Kurze systematische Wiederholung: Wir fahren hier elektrisch, der Nexo hat nicht nur die gleichen Türgriffe wir ein Tesla, sondern auch eine Kennzeichentafel mit grüner Schrift. Der Strom wird aber mittels Brennstoffzelle an Bord erzeugt. Da die Brennstoffzelle etwas träger ist in ihrer Kraftentfaltung als ein Verbrennungsmotor, sorgt eine Batterie wie bei einem Hybridfahrzeug für genügend Stromreserve bei spontanem Krafteinsatz. Wir erleben also beim Fahren ein ganz normales aber äußerst ruhiges und komfortables Auto. Es gibt weder spektakuläre Beschleunigungswerte noch den enormen Reichweitenverlust bei höheren Geschwindigkeiten wie bei einem rein elektrischen Auto der oberen Preisklasse.
Das Spiel mit den Wirkungsgraden
Das hängt nämlich damit zusammen, dass der Hyundai Nexo drei gleich große Wasserstofftanks besitzt, die miteinander 6,33 kg Wasserstoff fassen. Das entspricht einer Energiemenge von fast 210 Kilowattstunden. Das ist mehr als das Doppelte gegenüber dem Energieinhalt der Batterien der schnellsten Elektroautos und etwa die Hälfte der Energiemenge, die ein Verbrenner bei vollem 50-Liter-Tank mit sich führt (400 kWh). Allerdings gibt es da einen Haken beim Wirkungsgrad des Antriebs: Beträgt der Wirkungsgrad beim rein batterieelektrischen Antrieb rund 90 Prozent, liegt er beim Brennstoffzellenantrieb bei etwa 50 Prozent, während er bei einem Verbrennungsmotor im groben Schnitt bei rund 25 Prozent liegt. Das bedeutet zwar deutlich mehr Energieverbrauch für das Wasserstoff-Brennstoffzellenauto gegenüber dem rein batterieelektrischen Auto, aber geringere Empfindlichkeit gegenüber hohen Geschwindigkeiten, Heizen und Klimatisieren.
Gute Leistung, aber keine Autobahn-Kraftmeierei
Der Nexo benimmt sich nicht nur beim Tanken, sondern auch beim Fahren eher wie ein gewohntes Verbrennerauto. Der Verbrauch steigt aber bei hoher Geschwindigkeitstärker an, bewegt sich von 1,1 kg/100 km im alltäglichen Stadt- und Überlandverkehr auf 1,5 kg/100 km bei forciertem österreichischem Autobahntempo. Und noch etwas: Das Auto ist sehr agil über weite Bereiche, büßt aber auf flott gefahrenen Autobahnsteigungen schrittweise seine Souveränität ein. Für Deutsche-Autobahn-Kraftmeierei ist der Nexo nicht geschaffen. Die Basisdaten lauten 120 Kilowatt Spitzenleistung (163 PS). Die Nenn-Dauerleistung liegt aberbei 31,5 kW. Eine Größenordnung, die übrigens auch auf viele Elektroautos zutrifft. Um 100 km/h konstant zufahren, benötigt so ein Auto ungefähr 20 kW Leistung. Das ist der Rahmen. Das ist im Grunde eine sehr kluge Auslegung für einen entbehrungslosen fröhlichen Alltag.
Allrad nicht vorgesehen
Der Nexo ist in seinem Charakter ein hochwertiger SUV, muss allerdings mit reinem Vorderradantrieb auskommen. Das Fahrgefühl bewegt sich auf Premium-Niveau, genauso wie die Qualitätsanmutung, der Komfort und die dazugehörigen zahlreichen elektronischen Hilfseinrichtungen bis hin zum vollautomatischen Einparken mit Schlüssel-Fernbedienung. Darüber hinaus verbindet er die feinen Vorteile eines Elektroautos mit der kurzen Betankungszeit und verlässlichen Reichweite eines Verbrenners, nämlich auch im Winter und bei höheren Geschwindigkeiten.
Wasserstoff ja, aber bitte nicht aus Erdgas
Daran knüpft sich die Frage nach den realen Marktchancen dieses Antriebs. Kann er gegen batterieelektrischen Antrieb überhaupt konkurrieren? Die Brennstoffzellentechnik ist keine einfache Einrichtung, und ihr Preis muss erst so weit gesenkt werden, dass die Hersteller auch vom Unternehmens-Ertrag her ihre Freude haben. Hier gibt es einen Wettlauf mit den batterieelektrischen Antrieben. Vorteile, die auf jeden Fall für die Brennstoffzelle sprechen: Kurze Betankungszeiten und hohe Reichweiten bei hohen Geschwindigkeiten und Transportgewichten. Aber auch der Vergleich der Energieverbräuche ist fürs Weiterdenken interessant: Ein Brennstoffzellenauto benötigt für die gleiche Leistungsabgabe etwa doppelt so viel Energie wie ein Elektroauto, der Verbrenner sogar rund drei- bis viermal so viel. Und natürlich ist auch die Herkunft der Energie ein Kriterium für die Sinnhaftigkeit des Ganzen. Wasserstoff wird derzeit überwiegend aus Erdgas hergestellt. Sollte aber elektrolytisch idealerweise aus Sonnen- und Windstrom gemacht werden. Das ist der Grundgedanke und so muss auch der Weg in Zukunft aussehen, wenn Wasserstoff einen Sinn machen soll.
Rudolf Skarics
Daten Hyundai Nexo
Preis: € 79.800,–
Antrieb: Wasserstoff-Brennstoffzellen mit Batterien und Elektromotor, 120 kW (163 PS)/395 Nm Drehmoment, Frontantrieb
Energiespeicher: Wasserstoff 156,6 l entspricht 6,33 kg bei 700 bar Druck, Hybridbatterie Lithium-Polymer 1,56 kWh
Dimensionen: L/B/H 4670/1860/1630 mm. Kofferraum 461-1466 l
Gewichte: Leergewicht 1889-1949 kg, Zuladung 391-451 kg, Anhängelast 0 kg, Dachlast 100 kg
Fahrleistungen: 0-100 km/h 9,2 sec, Spitze 179 km/h, WLTP-Normverbrauch 0,95 kg/100 km, WLTP-Normreichweite: 666 km. Testverbrauch 1,1 bis 1,5 kg/100 km.