Warum das Elektroauto nicht mehr aufzuhalten ist und ein leistungsfähiges Ladenetz dafür eine wichtige Voraussetzung darstellt. Michael-Viktor Fischer vom Ladestationen-Provider Smatrics über die unmittelbare Zukunft der Elektromobilität.
Dr. Michael Viktor Fischer ist Geschäftsführer der Smatrics GmbH & Co KG, einem Joint Venture von Siemens und Verbund. Smatrics ist der größte Lade- stationen-Provider in Österreich und betreibt mittlerweile über 380 öffentliche Ladestationen flächendeckend im gesamten Bun- desgebiet und in Bayern. Darüber hinaus errichtet und managed Smatrics auch Ladestationen für Unternehmen und Privatpersonen.
e-move: Elektromobilität ist ja nichts ganz Neues, schon Ferdinand Porsche baute zur vorletzten Jahrhundertwende bereits alle Spielarten von Hybridantrieben. Warum sollte der Wandel zur Elektromobilität jetzt auf einmal gelingen?
Michael-Viktor Fischer: Stimmt, vor 100 Jahren war Elektromobilität auf gleichem Niveau wie der Verbrennungsmotor. Dann wurde der Elektrostarter erfunden, er war der Tod des Elektroautos. Bis dahin musste man ja beim Benziner immer kurbeln wie in Dick-und-Doof-Filmen. Plötzlich war Benzin bequemer, und das blieb eben lange so. Jetzt stehen wir erneut vor der Frage, setzt sich Elektromobilität durch oder nicht, und da gibt es mehrere Aspekte.
Jeder kann an einer Stromtankstelle von Smatrics laden. Nach Anmeldung per Handy erfolgt die Freischaltung sofort, rund um die Uhr.
Was ist heute anders?
Da ist zum Beispiel die EU-Verordnung von 2009, wonach Autos mit Verbrennungsmotor ab 2021 im Schnitt nicht mehr als 3,8 Liter auf 100 km verbrauchen dürfen, das entspricht 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer. In USA sind das 121 Gramm, aber die kommen halt wegen ihrer vielen Trucks von einem anderen Niveau. Im Grunde geht es aber um das Gleiche. Man könnte auch mit Erdgas eine Reduktion erreichen, aber auch nur auf 60 oder 70 Gramm. Da hat man aber keinen Hebel für weitere Reduktionen in Zukunft, für 2025 und später. Außerdem ist die Kundenakzeptanz von Erdgas seit langem sehr gering. Hier kommen wir nur mit dem Elektroauto wirklich weiter.
Wäre nicht Wasserstoff auch eine Möglichkeit?
Wasserstoff ist ein Thema, das sicher Potenzial hat, aber durch die enormen Entwicklungen in der Batterietechnik ergibt sich, dass Wasserstoff im PKW-Bereich und wahrscheinlich auch im lokalen oder regionalen Nutzfahrzeug-Bereich eher nicht eingesetzt wird. Wasserstoff kommt für Flugzeuge, für Schiffe und für den Schwerverkehr in Frage. Auf der Nutzfahrzeugmesse in Hannover war auch überraschend viel Elektromobilität bei Nutzfahrzeugen zu sehen. Selbst der LKW, der den Schotter zur Baustelle bringt, wird in Zukunft rein elektrisch sein. Diese LKWs fahren 100 bis 200 km am Tag, die haben dann eine Batterie mit 200 bis 300 kWh Energieinhalt und fahren elektrisch.
Neben der geringen Reichweite erscheinen vor allem lange Ladezeiten und begrenzte Lademöglichkeiten als hinderlich für eine breite Akzeptanz …
Smatrics ist ein Joint Venture von Siemens und Verbund und unsere Strategie steht auf zwei Beinen: Ein Geschäftsmodell ist das -öffentliche Laden, das andere Thema lautet -Managed Infrastructure. Wir gehen davon aus, dass langfristig alle Fahrzeuge elektrifiziert sein werden, selbst als Optimist schätze ich aber, dass das sicher 30 Jahre dauern wird. Unsere Kunden benötigen Unterstützung, um ihre eigenen Ladestationen zu errichten. Und da bieten wir sozusagen Wohlfühlpakete an.
Zuerst zu den öffentlichen Ladestationen: Können Sie garantieren, dass ich heute mit einem Elektroauto in Österreich schon überall hin und wieder zurück komme?
Auf jeden Fall. Wir haben mindestens alle 60 Kilometer eine Ladestation. Man kann sich also frei zwischen Neusiedlersee und Bodensee bewegen. Wir haben ganz Österreich in Kreise mit einem Radius von 30 Kilometern eingeteilt und in jedem dieser Kreise mindestens eine Ladestation aufgebaut, an der mehrere Autos gleichzeitig laden können. In ganz Österreich haben wir jetzt flächendeckend 380 Ladepunkte. Denn ein Handy, das in Vorarlberg nicht funktionieren würde, würden Sie auch nicht kaufen, auch wenn Sie nur alle fünf Jahre dorthin kommen. 2014 hatten wir an jeder Ladestation die Möglichkeit, mit 22 kW zu laden. Damit ist ein Renault in einer Stunde wieder voll. 2015 haben wir noch eins draufgelegt mit 50-kW-Ladestationen, wo das in zwanzig Minuten geht.
Elektroautobesitzer werden aber hauptsächlich zuhause oder an der Arbeitsstätte laden wollen. Können Sie denen auch helfen?
Das ist unser zweites wichtiges Anliegen. Wenn immer mehr Parkplätze mit Ladestationen versorgt werden sollen, werden die Kunden auch dafür einen Service brauchen. Denn aus technischer wie juristischer Sicht ist die Installation einer -eigenen Ladeinfrastruktur nicht immer ganz einfach. Wir können dazu zahlreiche Services bieten, vor allem auch für kleine und mittlere Unternehmen. Außerdem kann eine Ladestation mit SIM-Karte oder Wireless-LAN kommunikationsfähig und intelligent gemacht werden. So kann Ihnen der Wirt bei der Konsumationsrechnung gleich die Stromrechnung dazuzählen für das Auto, das inzwischen vor der Türe parkt und geladen wird. Wir bieten aber auch Abrechnungsservices für Ladestationen etwa bei Shoppingcentern, Skiliften, Golfplätzen etc. an oder auch Lademanagement, wenn mehrere Autos gleichzeitig am Netz hängen, um Stromspitzen zu vermeiden.
Vor allem Besitzer von Einfamilienhäusern produzieren immer öfter mit Photovoltaikanlagen ihren eigenen Strom. Ist der überhaupt nutzbar, wenn das Auto untertags, wenn die Sonne scheint, nicht zuhause steht?
In Zukunft wird man vielleicht eine wiederaufbereitete Batterie eines E-Autos im Keller haben, um Strom zu speichern. Während des Tages spart man Strom zusammen und am Abend schiebt man ihn ins Auto hinüber. Auch das eigene Auto kann im großen Stromnetz als Stromspeicher eingesetzt werden. So kann ich den Strom aus meiner Batterie zu Spitzenzeiten zum Beispiel um einen Euro ins Netz laden und kaufe den Strom, wenn er wieder billiger ist, um 18 Cent zurück. Damit kann man vorübergehende Verbrauchsspitzen vermeiden.
Wenn man Ihr dreistufiges Tarifmodell -ansieht, erinnert das frappant an einen Handy-Provider. Da weiß man am Ende ja nicht mehr, wie viel der Strom fürs Auto nun wirklich kostet?
Wir verkaufen nicht Strom, sondern Mobilität. Die Telekommunikations-Unternehmen bauen Sendestationen am Dach, wir bauen Ladestationen am Boden. Bei der Telekommunikation gehen die variablen Kosten fast gegen null, da besteht fast alles nur aus Fixkosten, bei -einer Benzintankstelle ist es umgekehrt, da dominieren die variablen Kosten für den Sprit. Unsere Tarifmodelle basieren auf dem unterschiedlichen Mobilitätsverhalten der Nutzer, nicht den Infrastrukturkosten: vom Modell für Weniglader ohne Grundgebühr bis hin zu einem Modell für Viellader mit geringsten Ladekosten von 1,40 Euro für eine gängige Vollladung.
Wie verhalten sich die Kunden üblicherweise beim Laden?
Die meisten laden ihre Autos zu 80 Prozent zuhause und nur zu 20 Prozent öffentlich. Das öffentliche Laden ist meistens eine so genannte Last Mile. Also ich fahre von Salzburg nach Wien und merke, da fehlen mir noch zwanzig Kilometer. Das heißt, ich kaufe mir noch einen Kaffee bei McDonald’s und lade nicht ganz voll, sondern gerade so viel, dass ich entspannt bis nach Hause komme.
Gerade erst ist von einem 350-Kilowatt–Ladenetz von Amsterdam nach Graz die Rede, an dem Sie mitarbeiten?
Ja, wir machen das gemeinsam mit Audi, BMW, Renault und VW, auch Magna ist dabei. Dabei geht es schon darum, die nächste Fahrzeuggeneration mit großen Batterien zu bedienen. Mit 350 Kilowatt sind in 20 Minuten 300 Kilometer geladen. Hier werden wir in -Österreich vier Plätze aufbauen, jeweils einen ganzen Park mit sechs bis acht Ladestationen. Das ist ein hohes Investment, dafür brauchen wir eine eigene Trafostation.
Das Interview führte Rudolf Skarics im Dezember 2016
Fotos: Smatrics