Report von Maria Brandl. Auch wenn es heute auf unseren Straßen noch ganz und gar nicht danach aussieht, wurden im Güterverkehr bereits viele Weichen gestellt, um in den nächsten Jahren den CO2-Ausstoß drastisch zu senken. Die Botschaft vom supersauberen Lkw ist halt nicht so sexy und verbreitet sich deshalb nicht so leicht von selbst. Sowohl Regierungen als auch Industrie sind nicht untätig in der Defossilisierung des Güter-Straßenverkehrs. Unter anderem natürlich auch, um die Konkurrenz der Schiene in Schach tu halten.
Schwerverkehr als Klimafaktor
Schwerfahrzeuge, also Lkw und Busse, machen laut EU-Statistik in der EU rund sechs Prozent aller CO2-Emissionen und rund 27 Prozent des CO2-Ausstoßes im Straßenverkehr aus. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, traten in der EU 2019 erstmals auch für schwere Nutzfahrzeuge verbindliche CO2-Vorgaben in Kraft. Sie sehen bis 2025 eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um 15 % gegenüber 1990 vor und bis 2030 eine Senkung um 30%. Der automobile Zulieferer Elringklinger schätzt allein in der EU den Markt für emissionsfreie Schwerfahrzeuge auf rund 100.000 Stück bis 2030. Daneben bestehen weitere Vorgaben durch die Clean Vehicle Directive (CVD) für die öffentliche Beschaffung sowie durch das österreichische Regierungsprogramm.
Abgasnorm als Beschleuniger
Ein konkretes Datum für das Aus von Antrieben mit Verbrennungsmotor für schwere Nutzfahrzeuge gibt es in der EU jedoch bislang nicht, so Nikolaus Steininger, Abteilung Straßenfahrzeugen in der Generaldirektion Klima der Europäischen Kommission in seinem Vortrag auf der Tagung Elmotion 2021. Indirekt wird die künftige EU-Abgasnorm Euro 7 jedoch den Ausstieg aus fossilen Kraftstoffen zusätzlich beschleunigen. Steininger erwartet, dass zumindest 2040 ein „sehr, sehr hoher Prozentsatz“ der Schwer-Nfz-Flotte in der EU emissionsfrei unterwegs sein werde. Dies sei aber auch mit synthetischen Kraftstoffen neben dem reinen elektrischen Antrieb via Oberleitung oder Batterie möglich. Wasserstoff gilt als die Basis für synthetische Kraftstoffe.
Kein Kraftstoff-Monopol mehr
Anders als bisher, wo der Diesel als Kraftstoff im Schwerverkehr quasi eine Monopolstellung hat, wird für die Zukunft ein Miteinander verschiedener Kraftstoffe und Antriebe erwartet, die alle lokal emissionsfrei sind. Jede Variante hat ihre Vor- und Nachteile und ist daher für den jeweiligen Einsatz mehr oder weniger geeignet. Während es für Busse bereits Serienprodukte mit Batterie-, Oberleitungs- oder Brennstoffzellenantrieb gibt, ist das Angebot bei schweren Lkw vor allem in Europa noch deutlich kleiner. Auf der Tagung Elmotion 2021 wurden neue Entwicklungen vorgestellt. Sie stehen im Mittelpunkt dieses Artikels.
Emissionsfreie Schwer-Lkw
Als emissionsfrei gelten derzeit Lkw mit folgenden Antrieben:
- Batterien
- Oberleitung
- Brennstoffzellenantrieb und Wasserstoff
- Wasserstoff im Verbrennungsmotor („Zero Impact Emissionen“)
Elektro-Lkw
Schwere Lkw mit batterieelektrischem Antrieb werden derzeit vor allem für den städtischen Verkehr und den städtischen und regionalen Verteilerverkehr als sinnvoll erachtet. Dieser ist gekennzeichnet durch eine relativ geringe Reichweitenanforderung, zentrale Lademöglichkeiten in den Betriebshöfen und geringere Nutzlastanforderungen als im Fernverkehr. Gleichzeitig sind die lokale Emissionsfreiheit sowie das geringe Fahrgeräusch besonders in städtischen Gebieten ein großer Vorteil. Zudem erhoffen sich Frächter, dass für E-Lkw das Nachtfahrverbot fällt, was vor allem für Zusteller sehr attraktiv wäre, da damit weniger Stauzeiten zu erwarten sind.
Elektrische Müllabfuhr in Wien
Die Stadt Wien stellte auf der Elmotion 2021 ihr erstes batterieelektrisches Müllfahrzeug dar. Es ist das erste der rund 270 Wiener Müllfahrzeuge und noch im Testbetrieb. Es fehlen noch Erfahrungen bei tiefen winterlichen Verhältnissen. Das Fahrzeug wurde auf Basis eines herkömmlichen MAN-Müllfahrzeugs zusammen mit anderen Firmen 2018 entwickelt. Es hat eine Reichweite von rund 100 km dank einer 230 kWh-Lithium-Ionen-Batterie und ein Sammelvolumen von 18 m3 (?wie alle anderen Müllfahrzeuge). Laut MA48 gab es, abgesehen von kleineren Problemen wie etwa mit dem Batteriemanagement, keine großen Ausfälle.
Erzberg mit Oberleitung
Dass selbst auf dem steirischen Erzberg Lkw künftig elektrisch fahren, mag überraschen. Dort hat man sich für die Stromzufuhr via Oberleitung für die Superlaster mit 100 Tonnen Nutzlast entschieden. Die Batterievariante sei für diesen Einsatz weniger geeignet, so Peter Schimeck von der VA Erzberg auf der Elmotion 2021.
Beim Erzberg-Lkw handelt es sich um einen seriellen Dieselhybrid. Der Dieselmotor hat nur 900 kW Leistung, die zwei Elektro-Radnabenmtoren leisten dagegen 1100 kW. Laut Peter Schimeck spart ein Oberleitungs-Lkw pro Jahr drei Millionen Liter Diesel und 5000 Betriebsstunden, da dieser Lkw dank einer 30 Prozent höheren Antriebsleistung eine schnellere Bergauffahrt als die normalen Diesel-Erzberg-Lkw erlaubt. Bisher verbraucht ein Diesel-Lkw dieser Größe 4,5 Mio. Liter Diesel pro Jahr am Erzberg. Trotz der großzügigen Förderungen verursacht der Oberleitungs-Lkw laut Schimeck Mehrkosten von 20 bis 30 Prozent gegenüber der Dieselvariante. Die Infrastrukturkosten für die Oberleitung betragen rund 1 Mio. Euro pro km.
Ein Problem der Elektro-Lkw sind die Anschaffungskosten. Schwere Lkw benötigen pro 100 km laut Volvo zwischen 50 und 200 kWh Strom und damit sehr große Batterien, die nach wie vor ein sehr großer Kostenbrocken sind. Auch wenn die Betriebskosten der batteriebetriebenen Lkw gegenüber Diesel-Lkw über die Lebenszeit viel geringer sind, so bleibt doch ein beträchtlicher Mehrpreis.
Laufleistung rechnet sich
Die deutsche Firma Etrofit geht bei einem 40-Tonnen-Lkw mit batterieelektrischem Antrieb von einem vierfachen Neuwagenpreis gegenüber einem vergleichbaren Diesel-Lkw aus. Selbst nach 700.000 km Laufleistung und zehn Jahren Betriebszeit liegen die beiden beim Total-Cost-of-Ownership (TCO) praktisch gleichauf. Schneller amortisiert sich nach Etrofit ein 40-Tonner, der von Diesel- auf batterieelektrischen Antrieb umgerüstet wird. Der Anschaffungspreis sinkt damit auf das Zweieinhalbfache gegenüber der Dieselvariante. Nach 700.000 km Laufleistung und zehn Jahren sind die Betriebskosten je km mit 1,01 Euro deutlich geringer als mit dem Diesel-Lkw mit 1,24 Euro.
Die öffentliche Hand, die durch die Clean Vehicle Directive der EU zur vermehrten Anschaffung von sauberen Fahrzeugen verpflichtet wird, steht damit vor einer großen Herausforderung, wie auch Michael Reinbacher vom Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) auf der Elmotion 2021 ausführte. Ohne zusätzliche Unterstützung des Bundes neben den bereits bestehenden Förderungen besteht die Gefahr, dass die öffentliche Hand die Zahl ihrer Fahrzeuge und somit ihr Leistungsangebot im gleichen Ausmaß verringern muss wie die Kosten für die Anschaffung sauberer Fahrzeuge steigen. Allein bei Bussen rechnet Reinbacher mit Mehrkosten durch die Clean Vehicle Directive von einem Drittel. Ein Euro für die Verkehrswende könne aber nur einmal ausgegeben werden.
Brennstoffzellen-Lkw
Führend auf diesem Gebiet in Europa ist die Schweiz. Anders als asiatische Brennstoffzellen-Vorreiterstaaten wie Japan oder Korea konzentriert sich die Schweiz bei der Einführung des Brennstoffzellenantriebs nicht auf Pkw, sondern Lkw. Grund ist das auch in der Schweiz enorme Wachstum des Straßengüterverkehrs durch Just-in-time-Lieferungen sowie den boomenden Online-Handel und das damit verbundene Emissionsproblem. Lkw mit Brennstoffzellen stellten sich in landesweiten Tests als beste Alternative für den landesweiten Verteilerverkehr heraus.
Dieser Ansatz hat noch weitere Vorteile, wie Thomas Walter von der „H2 Energy AG“ auf der Tagung „Elmotion 2021“ ausführte.
- Mit Lkw lässt sich der Bedarf an Wasserstoff deutlich besser berechnen als mit Pkw.
- Lkw benötigen größere Mengen an Wasserstoff, was den Aufbau der Infrastruktur zusätzlich erleichtert. Während für Pkw ein jährlicher Wasserstoffbedarf von 130 bis 170 kg angenommen wird, sind es pro Schwer-Lkw 5.000 bis 7.000 kg pro Jahr.
- Lkw tanken den Wasserstoff mit 350 bar, was einen deutlich geringeren Energiebedarf für das Verdichten des Wasserstoffs bedeutet als die 700 bar für Pkw. Der mit 350 bar einhergehende Reichweitenverlust fällt bei Lkw weniger ins Gewicht, weil sie Platz für zusätzliche Tanks haben.
- Für die Betankung ist dank 350 bar bei Lkw kein Kühlaggregat nötig, bei Pkw (700 bar) schon.
- Für Lkw (und Busse) reichen weniger Tankstellen als für Pkw.
- Mit Wasserstoff-Tankkunden können Tankstellen ihr bisheriges Geschäftsmodell (Tanken + Bistro) weiterführen. Stromlader dagegen gelten nicht als potenzielle Tankstellenkunden.
- Die Einsparung an CO2-Emissionen ist ungleich größer als für Pkw. Ein einziger Brennstoffzellen-Schwer-Lkw mit Wasserstoff spart mehr CO2 pro Jahr ein als vier Brennstoffzellen-Pkw während ihrer gesamten Laufzeit.
Laut Thomas Walter können in der Schweiz schon heute Schwer-Lkw mit Brennstoffzellen und grünem Wasserstoff profitabel gegenüber Diesel-Schwer-Lkw betrieben werden können und zwar ohne staatliche Unterstützung.
Der Schlüssel dafür liegt in einem Gesamtsystem, das auf drei Säulen beruht:
- Herstellung und dem Vertrieb des grünen Wasserstoffs
- Lkw-Lieferant samt Servicenetz
- Tankstellenbetrieb.
Nur so könne erreicht werden, dass der Erzeuger des grünen Wasserstoffs einen Preis verlange, der am Markt erreichbar ist. Anderseits profitiere der Wasserstofferzeuger von den Daten über den zu erwartenden Absatz.
Das Schweizer Wasserstoff-Ökoprojekt für dekarbonisierten Straßentransport startete im November 2016 in Aarau, wo mit Strom aus einem Laufwasserkraftwerk mittels 2-Kilowatt-PEM-Elektrolyseur pro Stunden 2,6 kg grüner Wasserstoff erzeugt wurden. Inzwischen liegen Produktion, Lieferung und Vertrieb des grünen Wasserstoffs bei der Firma „Hydrospider“, an der Alpig, Linde und H2 Energy beteiligt sind.
Mit Hyundai als erstem Serienlieferanten von Brennstoffzellen-Lkw wurde ein Joint-Venture über insgesamt 1.000 Brennstoffzellen-Lkw bis 2023 abgeschlossen. 35 davon sind bereits auf der Straße unterwegs. Die Lkw werden rein privatwirtschaftlich finanziert, das Betreiber-Modell lautet „pay-per-use“.
Tankstellen für grünen Wasserstoff
Für den Aufbau und die Betreuung der Wasserstoff-Tankinfrastruktur wurde 2018 der „Förderverein H2-Mobilität Schweiz“ gegründet. Er versammelt zahlreiche große Tankstellenbetreiber wie COOP, AVIA, Migrol, Shell oder Tamoil, insgesamt sind es rund 2.000 Tankstellen. Die Firmen betreiben selbst rund 4.000 Lkw und dekarbonisieren mit dem grünen Wasserstoff ihre eigene Fahrzeugflotte.
Den Vergleich mit dem deutlich besseren Wirkungsgrad des batterieelektrischen Antriebs scheut Walter nicht. Das stimme. Anderseits gehe es nicht nur um den Wirkungsgrad. Brennstoffzellen-Lkw bieten eine annähernd gleiche Nutzlast wie Diesel-Lkw, während für die gleiche Nutzlast zwei batterieelektrische Lkw nötig sind. Wasserstoff eigne sich sehr gut als Netzstabilisator und Speicher für überschüssigen Ökostrom. Allein mit den 3 TWh Windstrom, die 2020 in Schleswig Holstein verloren gingen, weil der Strom nicht genutzt werden konnte, hätte man ausreichend grünen Wasserstoff für 10.000 Brennstoffzellen-Lkw machen können.
Wasserstoff im Verbrennungsmotor
Nicht in allen Ländern gibt es jedoch so günstige Voraussetzungen für Lkw mit Brennstoffzellenantrieb wie in der Schweiz. Punkto Marktreife habe dieser Antrieb auch einen Rückstand von rund 15 Jahren gegenüber der batterieelektrischen Variante, sagte Alexander Trattner vom österreichischen Wasserstoffkompetenzzentrum Hycent A in Graz auf der Elmotion 2021.
Eine interessante Brückentechnologie bis zum großen Durchbruch der Brennstoffzellentechnologie ist die Verbrennung von Wasserstoff in Verbrennungsmotoren, gerade für Schwer-Lkw im Fernverkehr. Laut Prof. Helmut Eichlseder, Leiter des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der TU Graz, ist eine serienmäßige Umsetzung dieser Variante „vergleichsweise rasch“, nämlich innerhalb von rund fünf Jahren darstellbar. Vorteilhaft ist zudem die zu erwartende hohe Laufleistung von 1Mio. km und der robuste Motor.
Emissionsfreier Verbrennungsmotor mit Wasserstoff
Mit Bosch ist es Prof. Eichlseder und seinem Team gelungen, den Wasserstoffantrieb im Lkw mit einem CO2-Ausstoß von weniger als 1 Gramm pro Kilowattstunde zu entwickeln, was laut EU-Regelung „emissionsfrei“ (ZEV) bedeutet. Nötig dafür ist ein Entstickungssystem (SCR-System mit Harnstoff). Auch die Leistung betreffend erzielten die Entwickler eine große Verbesserung gegenüber früheren Wasserstoff-Antrieben: Die Literleistung erreicht 83 Kilowatt pro Liter Hubraum. Das ist, so Prof. Eichlseder, absolut konkurrenzfähig zu einem aktuellen Turbodieselmotor. Das Grazer Konzept arbeitet mit gasförmigem Wasserstoff (350 bar). Mercedes dagegen will als einziger Lkw-Hersteller flüssigen Wasserstoff verwenden, um die Reichweite pro Kilo Wasserstoff zu erhöhen (siehe e-move-Artikel).