Während immer noch atemberaubendere Elektroauto-Studien über sämtliche Medienkanäle geprügelt werden, um den jeweiligen Ankündiger besonders innovativ wirken zu lassen, ist Audi in den Mühen der Ebene angelangt. In Kürze werden wir definitiv bis in hinterste Zierleiste wissen, wie der erste vollelektrische Audi namens e-tron aussieht und bald darauf wird er in den Auslagen stehen, und die ersten Kunden werden mit strenger Absicht ihre persönliche Bestellung konfigurieren.
Ladetechnik: Von 11 kW AC bis 150 kW DC
Angesichts dieser Aufgabe hat Audi einen Workshop veranstaltet, um vorab technische Basisdaten des e-tron zu verkünden, vielmehr aber noch, um die bestehenden und künftigen Möglichkeiten des Ladens eines e-tron zu kommunizieren. Die Eckdaten des Fahrzeugs, die ihm vorauseilen, mit einer Batteriekapazität von 95 kWh, klingen ja sehr anspruchsvoll, da ist auch das Laden ein wichtiges Thema, will man nicht eine Woche warten, bis das Auto wieder voll ist.
Zuerst noch zum Auto. Was bisher geschah:. Auf der Audi-Webseite kann man den e-tron für tausend Euro reservieren lassen, versprochen wir dort folgendes: „Der Audi e-tron quattro concept nutzt die Power von drei Elektromotoren – eine E-Maschine treibt die Vorderachse an, die beiden anderen wirken auf die Hinterachse. Gemeinsam leisten sie 320 kW. Beim Boosten kann der Fahrer kurzzeitig sogar 370 kW und mehr als 800 Nm Drehmoment abrufen. So zeigt die Konzeptstudie Fahrleistungen wie ein Sportwagen: Aus dem Stand sprintet der Audi e-tron quattro concept in 4,6 Sekunden auf 100 km/h, die elektronisch begrenzte Spitze liegt bei 210 km/h.“
Das ist nur der grobe Rahmen, auf den ersten Röntgenbildern des letztgültigen e-tron ist an der Hinterachse nur ein Motor zu erkennen, auch egal. Denn jetzt und hier geht es ums Laden. Ausgangsposition dafür ist, wie schon erwähnt, eine sehr große Batterie mit 95 kWh Energieinhalt. Sie ermöglicht dem großen schweren starken Auto eine Normreichweite (WLTP) von 400 Kilometern.
Damit das Laden in praxisgemäßen Zeiträumen ablaufen kann, sind folgende Arten des Ladens vorgesehen: Auf der linken Seite unmittelbar vor der Fahrertüre ist eine Steckdose für den Combo- oder CCS-Stecker. Mit ihm kann Gleichstrom geladen werden bis zu einer Leistung von 150 kW. In diesem Fall dauert es nur etwa eine halbe Stunde, bis die Batterie wieder zu 80 Prozent gefüllt ist. An der gleichen Stelle kann man auch den üblichen Typ-2-Wechselstromstecker einstecken, über den mit bis zu elf Kilowatt Leistung (serienmäßig) oder 22 kW (Option) geladen werden kann. Weiters gegen Aufpreis gibt es auch noch eine zweite herkömmliche Wechselstrom-Steckdose auf der rechten Seite.
Bisher war ja Gleichstromladen im öffentlichen Ladenetz nur bis 50 kW möglich. Ausnahme ist nur Tesla mit seiner Insellösung namens Supercharger mit bis zu 145 kW. 150 kW ist die nun erste Ausbaustufe. Der CCS-Stecker kann bis 350 kW Ladleistung verwendet werden. Ionity, ein Gemeinschaftsunternehmen der VW-Gruppe, Daimler, BMW und Ford, arbeitet gerade am Aufbau eines europäischen Hochleistungsladenetzes. Ende 2018 sollen an die 200 150-KW- Ladstationen betriebsbereit sein, mit durchschnittlich jeweils sechs Ladepunkten, weiter Verdoppelung bis 2020. Sukzessive sollen auch 350-kW-Ladesäulen dazukommen. Sehr hohe Ladleistungen kommen grundsätzlich nur für sehr große Batterien in Frage. Die wird es aber in großer Zahl geben, wenn die Elektro-Transporter kommen.
Einen Kleinwagen mit 350 kW in fünf Minuten zu laden ist nicht das Ziel, er würde dabei nach momentanem Stand der Technik verglühen. Auch Audi sieht seine Ladestrategie im Parallelschwung zu menschlichen Bedürfnissen. Etwa langsam Laden im Büro (Arbeit) oder über Nacht (daheim) und Schnellladen in einer Kaffee- oder Mittagspause (auf Reisen). Dafür bilden 11 kW oder 22 kW bzw. 150 kW eine gute Perspektive. Einphasiges Laden an der Haushaltssteckdose mit 2,3 kW ist nur als Notfunktion vorgesehen.
Zu bedenken ist, dass manche Funktionen und Extras zu Markteinführung noch nicht verfügbar sind, etwa das zweite Ladegerät für 22 kW Ladeleistung und der zusätzliche Wechselstrom-Ladeanschluss auf der rechten Seite oder Vernetzungstechnologien mit der Heimsolaranlage.
Eine Ladekarte für 80 Prozent der Ladestationen
Viele Ladestationen, viele Betreiber, viele Abrechnungsmodelle. Trotz punktueller Bemühungen von Energieversorgern gemeinsame Abrechnungsmodelle für ihre Ladestationen (z.B. Hubject), zu installieren, ging das viel zu zäh oder einfach halbherzig voran. Audi organisiert sich deshalb selbst für seine Kunden darüber hinweg und hat selbst Verträge mit einer Vielzahl an Stromprovidern abgeschlossen. Mit der Audi e-tron Charging-Service-Karte erhält man Zugang zu 80 Prozent aller europäischen Ladestationen von 11 kW Wechselstrom bis 150 kW Gleichstrom, je nach Angebot vor Ort. Wie die Abrechnungsmodelle zwischen minutenweise und kilowattstundenweise dann im Detail ausfallen werden, ist noch nicht ganz klar.
Ab Mitte 2019: Plug and Play
Ab 2019 könnte die Zukunft des problemlosen Ladens dann wirklich beginnen. Alle Audis, die ab Mitte 2019 vom Band laufen, besitzen die Funktion Plug and Charge. Das heißt der Ladeanschluss dient dann selbst zur Identifizierung, die Ladekarte entfällt auch noch. Allerdings müssten dann tatsächlich auch alle Stecker die kryptographisch verschlüsselten Anmeldedaten verstehen.
Rudolf Skarics