Mit einem Wasserstoffauto zu fahren ist ja kein ganz neues Erlebnis mehr, man denke nur an den 7er-BMW vor vielen Jahren. Er hatte allerdings einen Verbrennungsmotor (Zwölfzylinder!) und wurde mit tiefgekühltem Wasserstoff betankt. Das war dann doch ganz etwas anderes.
Die neue Generation an Wasserstofffahrzeugen erzeugt an Bord Strom in der Brennstoffzelle und fährt damit elektrisch. Dieser Ansatz ist wesentlich weniger mit mechanischen und thermischen Verlusten behaftet, damit kommt man auch mit komprimiertem Wasserstoff aus, der weniger problematisch im Handling ist als der tiefgekühlte.
Wasserstoffauto Nummer drei
Nun haben wir auch auf diesem Gebiet schon einige Erfahrungen gesammelt, erinnern uns an dieser Stelle an den Hyundai iX35 FCEV und an den Toyota Mirai. Beide beanspruchen für sich, Serienfahrzeuge zu sein, was man allerdings aufgrund der immer noch begrenzten Stückzahlen nicht allzu ausufernd sehen muss, immerhin sind weltweit bereits einige hundert Stück unterwegs, im Grunde unter strenger Beobachtung durch die Hersteller im Dienste der Wissenschaft, Wirtschaft, Forschung und des Marketings.
Honda ist nun der dritte im exklusiven Bunde und tritt mit dem Clarity erstmals in Europa auf, und zwar im Rahmen des von der EU-Kommission geförderten HyFIVE-Programms in Großbritannien und Dänemark. Bis 2022 will Honda an zahlreichen Flottenversuchen in Europa teilnehmen. In Japan und Kalifornien werden diese Autos indes bereits verkauft. Auch wenn ungern Stückzahlen genannt werden: Pro Tag ist es aufgrund der hohen Anforderungen an die Fertigungs-Präzision maximal möglich drei bis fünf Brennstoffzelleneinheiten herzustellen, was den Output derzeit noch deutlich unter 1000 Autos pro Jahr limitiert.
Mit Strom fahren aber Gas tanken
So hatten wir Gelegenheit, mit dem Clarity in Dänemark zu fahren und auch den Verbrauch zu ermitteln. Das Ergebnis gleich vorab: Wir kamen mit einem Kilogramm Wasserstoff 93,9 Kilometer weit, im Großraum Kopenhagen bei naturgemäß sehr moderatem Temposplit Stadt-Überland-Autobahn. Immerhin lässt das mit 5 kg an Bord eine Reichweite an die 500 km mit einem Tank erwarten, eine erfreuliche Dimension gegenüber einem rein batterieelektrischen Auto. Das Tanken geht etwa so schnell wie mit einem Erdgasauto vor sich, also fast so schnell wie bei Benzin und Diesel.
Honda begann mit dem Thema Brennstoffzelle 1998 mit einem Kleinbus so vollgestopft mit Technik, dass nicht einmal mehr ein Beifahrer Platz fand. Um das Jahr 2000 hatte man dann schon alles so weit geschrumpft, dass die Technik in einen SUV passte, experimentierte nicht nur mit Wasserstoff, sondern auch mit Methanol. Heute gibt’s also Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb in einer Fünfmeter-Limousine an der Kante zur Serienfertigung. Wobei natürlich noch das Henne-Ei-Spiel im Gang ist, also auch eine Tankstellen-Infrastruktur aufgebaut werden muss, mit der Hürde versehen, dass das eine ohne das andere nicht funktioniert.
Der Kampf um den Platz
Ein Brennstoffzellen-Auto besteht im Wesentlichen aus einem oder mehreren Wasserstofftanks, Elektromotor, Leistungselektronik, Brennstoffzelle mit Kompressor zur Lufteinblasung und einer Batterie als Zwischenspeicher wie bei einem herkömmlichen Hybridauto. Da der realistische Verbrauch eines Brennstoffzellenfahrzeugs bei etwas mehr einem kg Wasserstoff auf 100 Kilometer liegt, sind für eine befriedigende Reichweite Tanks von etwa 5 kg Inhalt erforderlich. Honda hat das mit einem großen Tank von 117 Litern zwischen Rücksitzbank und Kofferraum und einem von 24 Litern unter den Rücksitzen geschafft. Sind die Tanks voll, herrscht darin ein Druck von 700 bar. Deshalb ist es auch nur möglich, sie zylindrisch auszuführen.
Alle Elemente unterzubringen ist nicht ganz einfach, so ist es gelungen, im Vergleich zu dem in den USA und Japan bereits länger erhältlichen Vorgängermodell die Brennstoffzelleneinheit deutlich zu verkleinern, so dass jetzt das Paket von 348 Brennstoffzellen gemeinsam mit Elektromotor, Leistungselektronik und Turbokompressor auf dem Bauraum eines V6-Motors mit Automatikgetriebe untergebracht sind, also unter der Motorhaube. Kern der Verbesserung: Kleinere Zellen, größerer Lader für die Frischluft.
Erquickendes Fahrgefühl
Die maximale Leistung des Elektromotors liegt bei 130 Kilowatt, das Drehmoment bei 300 Nm, also in üblichen Dimensionen einer ausgewachsenen Limousine. Daraus leiten sich auch recht erquickende Fahrleistungen ab.
Die Frage ist an dieser Stelle immer wieder nach dem Konkurrenzverhältnis von Wasserstoff- und batterielektrischem Auto. Die Antwort lässt sich direkt vom Bild ablesen: In kleinen Autos sind entsprechend große Tanks nicht unterzubringen. Wasserstoff beginnt also erst bei relativ großen und schweren Autos interessant zu werden und wird umso attraktiver, je höher die Nutzlasten kombiniert mit großen Reichweiten sind.
Link zu technischen Daten im Katalog
Kopenhagen, 8.5.2017/Rudolf Skarics