Auch wenn immer darüber geredet wird, was die Europäer nicht alles verschwitzt hätten, das Thema Elektroauto wurde bei Mercedes schon vor Jahrzehnten verfolgt und über viele Jahre sozusagen proaktiv beobachtet. Das erste elektrische Testauto im heutigen Sinn, das wir fuhren, war ein Prototyp der Mercedes A-Klasse im Jahr 1991, noch bevor wir je ein -Exemplar mit Verbrennungsmotor zu Gesicht bekamen. Daran wurde auch fleißig weiterentwickelt, bis der Vorsprung zur Konkurrenz so groß war, dass man das Projekt vor lauter Einsamkeit einstellte. Die Zeit war noch nicht reif. Das muss etwa 1997 gewesen sein.
Als Stadtauto gedacht mit einer praktischen Reichweite von rund 100 km.
Am Anfang war die Zebra-Batterie
Zehn Jahre später, als der erste elektrische Smart gefordert war, ging dann alles sehr schnell. 2007 flutete man mit einer Testflotte von 100 Stück Londons Innenstadt. Die Natrium-Nickel-Chlorid-Batterie vulgo Zebra-Batterie brachte es auf konkurrenzfähige Leistungsdaten – auch nach heutigen Maßstäben. Die Technologie war bereits in der stationären industriellen Anwendung bewährt, sollte sich aber mobil doch nicht durchsetzen. 2009 folgte der erste Smart Electric Drive mit Lithium-Ionen-Batterie von Tesla, wo Mercedes vorübergehend beteiligt war. 1000 Stück waren geplant, 2000 wurden gebaut und in Kundenhand getestet.
Die dritte Generation des Elektro-Smart wurde vor vier Jahren ins reguläre Verkaufsprogramm aufgenommen und kann als unmittelbarer Vorgänger der jüngsten Generation gesehen werden. Dieser bislang letzte Schritt kam nun ohne technische Revolution zustande, der Antrieb wurde nach dem Eichhörnchen-Prinzip erarbeitet, überall ein bisschen was.
Keine eigenen Batteriezellen mehr
Die Lithium-Ionen-Akkus sind bei gleichem Energieinhalt um etwa 20 kg leichter und wiegen jetzt nur mehr 160 kg (Einsparungen vor allem am Gehäuse und am Umfeld der Zellen). Die Verringerung des Energie-Normverbrauchs von 15,1 auf 12,9 kWh je 100 Kilometer verlängerte die offizielle Reichweite auf 160 Kilometer.
Smart produziert die Akkus im Mercedes-Accumotive Werk im sächsischen Kamenz wie schon für das Vorgängermodell selbst. Die Zellen dafür stammen nach anfänglichen Selbstversuchen mittlerweile wieder von LG aus Südkorea. Das Geschäft mit der Elektromobilität ist beinhart, in der Elektrochemie hat Europa doch einiges verschwitzt. Jeder Ansatz von Mut, hier wieder einzusteigen, wird von kostspieligen und nicht unbegründeten Rückschlags-prognosen -orchestriert.
Der Smart selbst ist schon von Grund auf ein sehr plausibler Anwendungsfall für einen Elektroantrieb. Der Wagen läuft ohne Motorgeräusch auch insgesamt sehr leise und federt trotz der extremen Kompaktheit recht komfortabel. Die Wendigkeit und Spritzigkeit stellt eine eigene Dimension der Fortbewegung dar, naturgemäß der urbanen Fortbewegung. Die Strategie ist mit aller Konsequenz und Ernsthaftigkeit ohne Hintertür angesetzt: Alle Smarts, auch Cabrio und der lange Viertürer, kommen elektrisch. Kurzum: Es macht wirklich große Freude, mit dem elektrischen Smart zu fahren, es ist zuweilen durchaus lustiger als mit dem benzinbetriebenen, und man käme fast in Versuchung, sich damit wie beim Autodrom zu benehmen, was dann doch keine gute Idee wäre.
Nur ein Viertel Energieverbrauch
Dieses Auto ist aber auch eine gute Gelegenheit, einige kritische und wunde Punkte der neuen Technologie abzuarbeiten. Ein Punkt ist die Reichweite, auch wenn immer wieder Statistiken dazu missbraucht werden, uns das Gegenteil einzureden. Ein Elektroauto verbraucht je nach Größe, Fahrweise und Jahreszeit im wahren Leben zwischen 15 und 20 kWh Energie auf 100 Kilometer, das entspricht nur ungefähr einem Viertel des Energieverbrauchs gegenüber dem Verbrennungsmotor, erfordert aber immer noch relativ große
und schwere Batterien, wenn eine akzeptable Reichweite erzielt werden soll. Teslas Erfolgsrezept etwa war die Flucht in die Größe, der Bruch mit dem Ideal des intelligenten und kleinen schlanken Elektroautos.
Ein kleines Auto hat deshalb das Handicap, dass es sehr schwierig ist, ausreichend Batterien unterzubringen für eine beruhigende Reichweite. Das ist besonders für den Smart ein Thema, weil für die doppelte Reichweite doppelt so große Batterien notwendig wären, die das ganze Konzept über die -Gewichtsspirale sprengen würden. Jetzt beträgt der Energieinhalt gerade mal 17,6 kWh. So bleibt der Wirkungsradius des Kleinwagenkonzepts trotz kleiner Fortschritte auf den urbanen Bereich beschränkt mit den typischen statistischen Bewegungsmustern von etwa 60 Kilometern täglich. 160 Kilo-meter Normreichweite bedeutet maximal etwa 100 bis 120 km im wahren Leben.
Überschaubare Ladezeiten
Der zweite wichtige Punkt gleich nach der Reichweite sind die Ladezeiten. Tesla baut nicht umsonst ein eigenes Ladenetz, sondern ist dazu gezwungen. Die Monsterbatterien in der Größenordnung von 100 kWh erfordern nämlich enorme Ladeleistungen, die kein öffentliches Haushaltsstromnetz hergibt, schon gar nicht das amerikanische mit 110 Volt, im günstigsten Fall 220 Volt. In Österreich ist der Smart am normalen Schukostecker nach sechs Stunden voll, an einer 22-kW-Wallbox am 400-Volt-Starkstromnetz in nur 40 Minuten. Schnellladen mit Gleichstrom im öffentlichen Ladenetz wird es für den Smart nicht geben, aber das ist bei der relativ kleinen Batterie gar nicht notwendig.
Dass es zum Thema Elektromobilität noch viel wichtigere -Zugänge gibt als die Herkunft der Batteriezellen, zeigt sich daran, dass sich die Mercedes-Strategie – abgesehen von einzelnen Elektromodellen, die demnächst sicher kommen werden – auch intensiv mit der Frage künftiger Mobilitätsformen auseinandersetzt. Car2Go war da nur der Anfang. So bietet der Smart und sein Einsatzgebiet ein wunderbares Feld zum Üben. Denn hat man erst einmal eine Idee umgesetzt, ist das Vergrößern viel leichter als das Verkleinern.
Fotos: Werk