Keine guten Nachrichten für Elektroautogegner, die den viel zu hohen Strombedarf einer zunehmend flächendeckenden Elektrifizierung des Individualverkehrs als schlagendes Argument gegen das Elektroauto anführten. Das Elektroauto ist verkraftbar, sowohl von den Kosten als auch von der Stromerzeugung und Stromverteilung her. Es muss, jedenfalls bis 2030, am bestehenden Stromnetz nur wenig justiert werden, es muss trotzdem investiert werden, vor allem in die Errichtung von Ladestationen, in der Fläche des weiten Landes überwiegend privat, in dichten Ballungsräumen stärker öffentlich, da in bestehenden Wohnanlagen die private Errichtung von Ladestationen sehr oft nicht möglich ist.
Dr. Werner Tober vom Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik an der TU Wien hat mit seinem Team1) die Herausforderungen der zunehmenden Zahl an Elektroautos an Stromnetz und Ladeinfrastruktur untersucht und die Ergebnisse am Wiener Motorensymposium im Mai 2019 präsentiert. Tober legte seiner Untersuchung Prognosen der Marktentwicklung an batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV) zugrunde, unter anderem basierend auf dem ÖAMTC-Expertenbericht „Mobilität und Klimaschutz 2030“ (H. Eichlseder/B. Geringer, TU Graz/TU Wien). Demnach wird für 2030 ein Anteil von 26 Prozent reinen Elektroautos bei den Neuzulassungen erwartet. Bis dahin sollte der Anteil an Elektroautos am Gesamtbestand 11 Prozent bei den Pkw und 6,5 Prozent bei den leichten Nutzfahrzeugen betragen.
Temperaturverteilung über Fläche und Jahreszeiten
Um die Anforderungen an das Stromnetz bewerten zu können, erschien es nun wichtig, nicht nur die Größe sondern auch die Verteilung von Energieverbrauch und Energiebedarf zu ermitteln, also den Energiebedarf einzelner Fahrzeuge an sich und das Nutzungs- und Ladeverhalten der Elektroautofahrer. Auch Temperatur- und jahreszeitliche Einflüsse sind über Österreich ungleichmäßig verteilt und wurden berücksichtigt. So konnte nicht alleine eine durchschnittliche Steigerung des Energiebedarfs durch Elektroautos erfasst werden, sondern auch die zeitliche Verteilung der Spitzenlasten über das ganze Stromnetz.
Der Stromverbrauch der Elektrofahrzeuge wurde nach dem ADAC-Ecotest ermittelt, einem tatsächlich sehr praxisnahen Testverfahren des deutschen Schwesterclubs des ÖAMTC. Diese Messungen wurden auch bei verschiedenen Umgebungstemperaturen durchgeführt, da diese ja großen Einfluss auf den Stromverbrauch von Elektroautos haben. Kleiner Auszug aus den Erkenntnissen: Bei 20 Grad Celsius Umgebungstemperatur ist der Energieverbrauch eines Elektroautos am geringsten und beträgt im Eco-Test 23 kWh/100 km. Bei plus 30 Grad steigt er auf 26 kWh/100 km, ähnlich hoch ist er auch bei plus 10 Grad. Bei weiterer Abkühlung steigt der Energieverbrauch des Elektroautos bis auf fast das Doppelte des Wertes bei 20 Grad, also über 40 kWh/100 km bei minus 20 Grad. Ähnliche Tendenzen auch bei leichten Nutzfahrzeugen: Zwischen plus zwanzig und minus zwanzig Grad steigt der durchschnittliche Verbrauch von rund 50 kWh/100 km auf 75 kWh/100 km.
Nicht unerhebliche Verluste beim Laden
Dabei macht das Kühlen und Heizen des Fahrgastraums einen Teil des zusätzlichen Energieaufwands aus. Auch das elektrische Antriebssystem, vor allem die Batterien selbst, sind in ihrem Wirkungsgrad kälteempfindlich. Die angegebenen Verbräuche mögen nun gegenüber den Erfahrungen von Elektroautonutzern doch etwas hoch erscheinen. Aber es sind dabei auch die Ladeverluste enthalten. Als Ladewirkungsgrad wird aufgrund eigener Erfahrungen des Studienautors 84 Prozent angegeben.
Das Mobilitäts- und Ladeverhalten der österreichischen Elektroautofahrenden wurde in einem aufwendigen Muster aufgerollt, um der Wirklichkeit möglichst nahe zu kommen. Beim Ladeverhalten ging man grundsätzlich von folgender Annahme aus: Da die durchschnittlichen täglichen Fahrstrecken beim Pkw zu 94 Prozent unter 50 km liegen, reichen üblicherweise relativ geringe Ladeleistungen zwischen 2,3 und 11 Kilowatt aus, sowohl zuhause als auch bei Ladestellen am Straßenrand. Heimladestellen mit 22 kW werden nur in geringem Maß erwartet, da sie im Rahmen des Haushaltsstromnetzes schwieriger zu realisieren sind. Ladeleistungen mit 44 und 50 Kilowatt gibt es nur an öffentlichen Ladestationen. Ladeleistungen mit 150 Kilowatt und darüber wurden als Einzelfälle betrachtet, aber nicht im lokalen Verteilernetz.
Punktuelle Maßnahmen aber keine Revolution im Stromnetz
Ein wichtiger Faktor ist die Gleichzeitigkeit der Ladestellennutzung, weil sie den Leistungsverlauf durch die Ladevorgänge und die Anzahl der notwendigen Ladestellen bestimmt. Im Jahr 2018 war die Kalenderwoche 3 jene mit dem höchsten Leistungsbedarf für Grundlast plus Elektrofahrzeuge. Für das Jahr 2030 wurde für diesen Zeitraum ein Maximum von 1,1 Gigawatt errechnet. Das entspricht 10,8 Prozent des Maximums von 2018. Dabei ist die Anforderung für das Netz wochentags um 18 Uhr immer am höchsten, am allerhöchstens freitags.
Daraus ist zu schließen, dass der zusätzliche Stromverbrauch von Elektroautos einiger punktueller Maßnahmen bedarf, vor allem um Spitzen im Stromnetz abzufedern, dass der zusätzliche Strombedarf für Elektroautos aber nur moderat und dem Marktenteil der Elektroautos entsprechend nur langsam steigt. Zitat aus der Studie: „Im Jahr 2030 beträgt der Verbrauch durch Elektromobilität 2,23 TWh. Der Inlands-Stromverbrauch in Österreich im Jahr 2016 beträgt rund 70,7 TWh. Daraus folgt, dass es bis 2030 zu einer Zunahme des Strombedarfs von 3,2 % kommt. Bei 100 % Elektroautos beträgt der Energieverbrauch durch Elektroautos 19,8 TWh (28 % Mehrbedarf).“
Drosselung der Spitzenlasen und versetzte Ladezeiten
Mit eigener Methodik wurde auch der Bedarf an Ladestellen verteilt über ganz Österreich ermittelt. Zwar sind viele Elektroautobesitzer in der Lage, zuhause eine Ladestelle zu errichten, trotzdem wird ein hoher Anteil an Heimladestellen am Straßenrand benötigt, vor allem in Wien. Fast ein Drittel der Ladestellen zum alltäglichen Gebrauch wird von öffentlichen Stellen und Ladestellenbetreibern errichtet werden müssen. Die Hochleistungs-Ladestationen, die in der Regel ja nur für sporadische Langstreckenfahrten benötigt werden, hier nicht mit eingerechnet.
Die wichtigste Botschaft aus der Studie überhaupt: „Bei der Untersuchung der lokalen Verteilernetzmodelle hat sich gezeigt, dass sich bis 2030 aufgrund des niedrigen Elektroauto-Bestands (11 % Personenwagen und 6,5 % leichte Nutzfahrzeuge) keine Probleme in einem typischen Verteilernetz ergeben. Es sind daher bis 2030 keine Netzerweiterungsmaßnahmen zu erwarten.“ Einschränkungen zu dieser generellen Aussage gibt es nur punktuell. Zitat: „Zur Behebung oder Vermeidung von kritischen Lasten in Verteilernetzen, die durch Ladung von Elektroautos verursacht werden, existiert eine Reihe von technischen Maßnahmen. Dabei können durch zentrale oder dezentrale Regelungsmaßnahmen die Spitzenlasten gedrosselt und die Ladung zu späterer Uhrzeit verlagert werden, etwa Smart-Grid-Anwendungen. Hardwareseitig wäre beispielsweise ein Trafo-Tausch möglich.“
Ladestationen: Kosten klaffen weit auseinander.
Interessant auch die Verteilung der Kosten zur Errichtung der Ladeinfrastruktur, die wohl auch in irgendeiner Weise auf die Betriebskosten der Elektrofahrzeuge durchschlagen werden. Die Errichtung einer Ladestation am Straßenrand reicht von gut 6000 Euro (2,3 kW am Land) bis 55.000 Euro (50 kW in der Stadt), wobei die Errichtungskosten einer identischen Ladestation im dichten Ballungsraum mitunter doppelt so hoch liegen können gegenüber dem Land. Die Errichtung einer Lademöglichkeit am eigenen Stellplatz erscheint vergleichsweise günstig: Von rund 1000 Euro wenn bereits eine rote Drehstromsteckdose vorhanden ist und nur ein spezielles Ladekabel oder eine einfache Wallbox angeschafft werden muss bis mehrere tausend Euro, wenn gröbere Adaptierungen an der Zuleitung hotwendig sind.
Faktenrap:
Elektroautos in Österreich
Zulassungen und Fahrzeugbestand:
Elektroauto-Neuzulassungen 2030: 26 Prozent Pkw
Elektroauto-Bestand 2030: 11 Prozent Pkw, 6,5 Prozent leichte Nutzfahrzeuge.
Energieverbrauch Elektro-Personenwagen:
Derzeit im Durchschnitt aller Modelle
23 kWh/100 km bei 20 Grad Celsius
26 kWh/100 km bei 30 Grad Celsius.
42 kWh/100 km bei minus 20 Grad Celsius.
Energieverbrauch Kleintransporter:
50 kWh/100 km (+20 Grad) bis 75 kWh/100 km (-20 Grad).
Wirkungsgrad beim Laden:
84 Prozent
Zusätzlicher Strombedarf durch Elektroautos:
Bis 2030: 2,23 Terrawattstunden (+3,2 Prozent)
Bei 100 Prozent Elektroautos: 19,8 TWh (+28 Prozent)
Spitzenlast:
2030: 1,1 Gigawatt, entspricht +10,8 Prozent
Bei 100 Prozent Elektroautos: 9,37 Gigawatt, entspricht + 93 Prozent.
Höchste Last durch Elektroauto-Laden:
Wochentags 18:00 Uhr.
Absoluter Höchstwert: Freitag, 18:00 Uhr.
Quelle:
1) Dr. Werner Tober, Dipl-Ing. Thomas Bruckmüller, Dipl.Ing. Dominik Fasthuber, Technische IUniversität Wien
Die Folgen des Ausbaus der Ladeinfrastruktur für batterieelektrische Fahrzeuge auf die Energieversorgung bis 2030 am Beispiel Österreichs The Consequences of the Expansion of Charging Infrastructure for Battery Electric Vehicles to the Energy Supply by 2030 Using the Example of Austria