Seinerzeit war man froh, wenn einen Motoren unter Getöse und Gestank überhaupt vorwärts brachten. Heute steht die Vermeidung von Umweltschäden durch die Massenmotorisierung im Mittelpunkt der Bemühungen. Zum Fahren taugen sie alle, egal ob sie mit Benzin, Diesel, Erdgas, Alkohol, Rapsöl, Strom oder gar Wasserstoff betrieben werden. Aber was ist nun wirklich besser? Sicher ist, das Verbrennen von fossilen Kraftstoffen muss beendet werden, um den Kohlendioxidüberschuss in der Atmosphäre einzubremsen. Der elektrische Strom bietet sich als willkommene Alternative an, zumal es durch eine erste Welle technologischer Kraftanstrengung gelungen ist, elektrische Energiespeicher vulgo Batterien zu entwickeln, die auch akzeptable Reichweiten ermöglichen. Außerdem erscheint es auch machbar, den Strom durch regenerative Art herzustellen, selbst wenn dies erst zu einem sehr geringen Maß tatsächlich stattfindet.
Zurückrudern in alte Zeiten
Doch schon vor Corona war klar, dass es aus vielerlei Gründen nicht genügen würde, einfach die Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor durch solche mit Elektromotor auszutauschen. Jetzt stellt sich noch viel dringlicher die Frage: Ergibt der wirtschaftliche Rückschlag einen neuen Aufschwung für alte Technologien oder wäre das nur ein Zurückrudern in alte Zeiten? Eine naheliegende Schlussfolgerung wird jedenfalls gerne gebraucht: Elektroantrieb ist teurer als Verbrennerantrieb. Diesen Luxus könne sich die Gesellschaft jetzt nicht mehr leisten.
Größter Umbruch in der Automobilgeschichte
Die Forderungen zum Klimaschutz bleiben aber unverändert aufrecht, und auch am Fahrplan zur Erreichung der Ziele wird sich wohl nicht viel ändern. Die Suche nach Antrieben für eine möglichste rasche Verringerung des CO2-Ausstoßes muss vorangetrieben werden, auch wenn sich die Autoindustrie in der größten Umbruchphase ihrer Geschichte befindet.
Lebenszyklusbilanzen sind unverzichtbar
Trotz enormer ökonomischer Verwerfungen hat sich an den technischen Erfordernissen für die Autoindustrie nichts verändert. Der Schwenk von der bisher vollzogenen Tank-to-Wheel-Beurteilung zur Well-to-Wheel-Analyse und zu Gesamtbilanzen ist in allen Köpfen angekommen. Lokale Emissionsfreiheit oder die reine Betrachtung des Energieverbrauchs beim Fahren greifen viel zu kurz. Innovationen müssen im Lichte einer gesamten Schadstoff- und Energiebilanz gesehen werden. In diesem Zusammenhang erhält sogar die Idee vom Wasserstoff im Verbrennungsmotor neuen Schwung.
Elektrifizierung schon zwei Drittel
Bernhard Geringer, Vorstand des Instituts für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik an der TU Wien und Leiter des Wiener Motorensymposiums: „Es zeigt sich, dass sich in den letzten Jahren der Hauptentwicklungsfokus von Leistung und Drehmoment, Kraftstoffverbrauch sowie Komfort und Emotionen deutlich hin zu Klimaschutz, Emissionen und Treibhausgasausstoß verlagert hat. Heuer entfallen erstmals zwei Drittel der Vorträge auf die Elektrifizierung von Antrieben.“ Dazu ist anzumerken: Auch wenn die Veranstaltung Mitte April ausfiel, Videobotschaften und umfassende Tagungsunterlagen ergeben einen guten Überblick.
48-Volt-Mild-Hybrid für die Masse
Klar ist, dem Elektroantrieb wird nicht kampflos die Zukunft überlassen. Grundtenor dabei: Es ist nicht immer und überall genug Strom zum Fahren verfügbar und schon gar nicht ist dieser von vornherein CO2-frei, ja oft sogar erweist sich die Gesamtbilanz der Stromverwendung, vor allem seiner Erzeugung, als schlechter als bei einem Antrieb mit Verbrennungsmotor. Der Verbrennungsmotor bleibt vor allem mit zunehmender Verwendung von Kraftstoffen nicht fossilen Ursprungs attraktiv. Dabei hilft ihm die Steigerung der Energieausnutzung durch Elektrifizierung, beginnend bei 48-Volt-Mild-Hybrid über Hochvolt-Hybride und Plug-in-Hybridtechnik. Bernhard Geringer: „In den nächsten Jahren wird das Antriebsportfolio breiter, ohne dass aus derzeitiger Einschätzung Antriebsformen wegfallen. Wir brauchen alle!“
Kostensenkung durch Gleichteile und Plattformen
Die Erfüllung von weltweiten Schadstoff- und Verbrauchsgrenzwerten und Kundenwünschen in unterschiedlichen Fahrzeugsegmenten erfordert viele unterschiedliche Konzepte. Um dabei aber auch noch die Kosten im akzeptablen Rahmen zu halten, steigt auch der Druck hin zu immer effizienteren Gleichteil- und Plattformstrategien, eine Thematik, die verschiedene Hersteller je nach Unternehmensgröße recht unterschiedlich angehen, aber alle mit dem gleichen Ziel: Auf weltweite Änderungen bei Gesetzesvorgaben und Kundenwünschen hochflexibel reagieren zu können. Das betrifft Verbrenner- und Elektroantrieb gleichermaßen samt allen Mischformen, die noch entstehen werden.
USA zunehmend im Hintertreffen
Andreas Wolf, CEO von „Vitesco Technolgies“, ehemals „Continental Power Train“, sieht voneinander abweichende Trends je nach Weltregion. In Europa diagnostiziert er starkes Wachstum für den so genannten Volkshybrid, die 48-Volt-Mild-Hybridisierung, aber auch für rein elektrische Fahrzeuge. Der Markt für Voll- und Plug-in-Hybride wird dagegen eher moderat wachsen. Der Markt für Verbrennungsmotoren ohne Elektrifizierung schrumpft. Für die USA diagnostiziert Wolf eher einen flachen Anstieg der elektrifizierten Antriebe, während er in China mit den meisten abgasfreien Autos rechnet. Dort müssen laut Gesetz nämlich 2025 ein Viertel aller Neufahrzeuge einen batterieelektrischen oder Brennstoffzellenantrieb haben.
Zahlen subjektiv und objektiv
Während im privaten Bereich Autos im weiteren Sinn gefühlsmäßig bezahlbar bleiben müssen, gibt es im gewerblichen Bereich beinharte Kostenrechnungen, die Stichworte lauten Total Cost of Ownership (TCO). Das Druckmittel in Richtung Umweltschonung sind etwa im Lkw-Bereich noch viel höhere Strafzahlungen für die Hersteller bei Überschreitungen gesetzlicher Verbrauchsvorgaben. Laut AVL List hat hier der Brennstoffzellenantrieb durchaus das Potenzial, mit dem Dieselantrieb gleichzuziehen, unter der Voraussetzung, dass ein Wasserstoffpreis 4 bis 5 Euro pro kg erzielt wird.
Verkehrsorganisation als Schlüsselmoment
Antriebstechnik wird auch immer stärker mit der Verkehrsorganisation verknüpft. Neben der Elektrifizierung ist Vernetzung das zweite bedeutende Schlagwort. Robert Lokner, Microsoft: „Autonome Fahrzeuge sind der logische nächste Schritt in dieser vernetzten, mobilen Zukunft. Sie werden dazu führen, dass alles neu definiert wird, von den Straßen, auf denen wir fahren, bis zu den Städten und Umgebungen, in denen wir fahren.“ Dass die IT-Konzerne das Geschäft mit den Autos zur Gänze übernehmen werden, glaubt er hingegen nicht. Mit der Organsation und Verarbeitung gigantischer Datenmengen habe man genug zu tun, zumal cloudbasierte Systeme und künstliche Intelligenz das Auto der kommenden Jahre prägen würden.
Gesetzeslage und Datenschutz
Darüber hinaus wird die Anpassung des gesetzlichen Rahmens an die vielfältigen Möglichkeiten der Elektronik immer dringlicher. Ein Knackpunkt ist noch immer Stufe 3 der fünfteiligen SAE-Skala, in der die Automatisierungsgrade weltweit definiert sind. Für die Freigabe der Stufe drei fehle aus rechtlicher Sicht mehr als aus technischer. Rechtsanwalt Martin Siemann von Audi sieht vor allem darin gravierende Problem, dass vier Rechtsgebiete betroffen sind, nämlich Zulassungsrecht, Straßenverkehrsrecht, Verhaltensrecht und Haftungsrecht. Und dazu kommt noch der Datenschutz. Und nicht immer ist China der Treiber. Dort gibt es starke Restriktionen für Privatunternehmen, was hochgenaue Karten und die Speicherung von Geodaten anlangt, beides jedoch unerlässlich für automatisiertes Fahren.
Rudolf Skarics