Die schwierigste Etappe im Lieferverkehr ist der letzte Weg zur Kundschaft, darin sind sich alle Logistiker einig. Schon aus der Frühzeit der Telekommunikation gibt es den Begriff der „Last Mile“, jenes letzte Stück zum Kunden, wo nicht mehr gebündelt transportiert werden kann, wo letztlich eine einzige Leitung oft über Kilometer zu einem einzigen Bauernhof geführt werden muss. Ähnliches gilt auch für den Warentransport: Das letzte Stück ist meistens relativ kurz, jedenfalls im Vergleich zur Gesamtdistanz, die ein Produkt zurücklegt, aber gleichzeitig auch der teuerste Abschnitt der Transportkette mit dem höchsten Energieverbrauch – bis vor kurzem auch noch mit dem höchsten Schadstoffausstoß.
Schlüsselfaktor Geschwindigkeit
Da erscheint es doch naheliegend, gerade diesen Verkehr vermehrt elektrisch abzuwickeln. Doch da gibt es einen Haken: Batterien sind groß und schwer und schränken damit die Nutzlast erheblich ein. Aber schon das Paradoxon Tesla fordert eine zweite Nachdenkrunde ein. Bis zu Teslas kometenhaftem Aufstieg war es ja wie in Stein gemeißelt, dass Elektroautos klein und leicht sein müssen, um wenig Energie zu verbrauchen und damit eine hohe Reichweite zu erzielen. Dabei ist es ein bisschen anders: die dominante Größe beim Energieverbrauch eines Elektroautos ist nicht sein Gewicht, sondern die Geschwindigkeit, mit der es tatsächlich gefahren wird. Denn gerade ein schweres und stark motorisiertes Elektroauto gewinnt beim Bremsen einen erheblichen Teil der Energie zurück, die es beim Beschleunigen verbraucht hat. Nur richtig schnellfahren sollte ein Elektroauto nicht. Und das ist im urbanen Bereich ohnehin kein Thema.
Die Rechenmodelle funktionieren
Versuchen wir ein praktisches Rechenmodell über den Daumen: Der Verbrauch eines dieselbetriebenen Kleintransporters liegt etwa 20 bis 30 Prozent über dem eines Pkw. Das gilt auch für ein Elektroauto. Das heißt, die Batterien eines Transporters müssen nur 20 bis 30 Prozent größer und schwerer sein als die eines Pkw, um die gleich Reichweite zu erzielen. Das lässt sich zum Beispiel im häufig ausgeschöpften Rahmen von 3,5 Tonnen durchaus unterbringen – bei schwereren Kleintransportern sogar noch leichter. Eine ganze Lithium-Ionen-Batterie (Zellen plus Gehäuse und Verschaltung) liegt heute in der Größenordnung von 10 kg je kWh Energieinhalt. Bei einem realen Verbrauch von 20 kWh auf 100 Kilometer benötigt man also 400 Kilogramm Batterien, um 200 km weit zu fahren. Das stellt durchaus eine erhebliche Einschränkung der Nutzlast dar. Ist aber auch kein wirklich großes Problem der Menschheit, denn diese Transporter gibt es ohnehin in geringfügig modifizierter Form auch bis 7,5 Tonnen mit entsprechend höheren Nutzlastreserven. So hat VW den völlig neu entwickelten Crafter, einen typischen Vertreter der Transporterklasse, gerade erst in Elektroversion präsentiert.
Aber selbst im urbanen Bereich erledigen mittlerweile relativ große Lastwagen einen erheblichen Teil der Transportleistung, man denke nur an die Lkw der großen Lebensmittelketten. Wie weit kann hier das batterieelektrische Auto reichen? Selbst in diesem Bereich hat Mercedes kürzlich eine Studie präsentiert. Das Phänomen ist auch hier: so lange Geschwindigkeiten niedrig und die Fahrstrecken kurz sind, kommt man auch mit Batterien relativ gut durch, selbst bei hohen geforderten Nutzlasten.
200 km Reichweite beim Schwerlaster
So wiegt die elektrisch angetriebene Achse des Mercedes Urban eTruck rund 1000 kg. Die weiteren notwendigen elektrischen Bauteile summieren sich auf 900 kg. Das schwerste sind naturgemäß die Batterien samt Gehäuse und Befestigungen mit weiteren 2500 kg. 2700 kg an herkömmlicher Antriebstechnik samt Kraftstofftanks entfallen aber wiederum. So bleibt ein Mehrgewicht von 1700 kg, eine durchaus überschaubare Größenordnung bei einem 25-Tonnen-Lkw. In dieser Konstellation verspricht der Lkw eine Reichweite von 200 Kilometer, bei einer durchgeplanten Tour durchaus ein realistisches Maß, vor allem wenn während des Ladens und Entladens der Güter auch Strom zwischengeladen werden kann.
Klar ist zu erkennen, dass der batterieelektrische Antrieb im Nutzfahrzeug auch schlagartig Grenzen hat, etwa wenn es aus dem urbanen Bereich hinaus geht und die Geschwindigkeiten und Fahrstrecken steigen. Elektromobilität ist dann aber noch immer nicht zu Ende. Spätestens dort übernimmt die Brennstoffzelle die Stromproduktion an Bord, und getankt wird Wasserstoff.
Text: Rudolf Skarics, Fotos: Werk