Mercedes fährt als Erster wirklich automatisch auf Level 3

Bereits vor Beginn der Corona-Krise glaubten mehr als 70 Prozent der befragten Autofahrer, dass selbstfahrende Autos bereits zu kaufen sind. So lautete das Ergebnis einer vom Crashtestnorm-Entwickler Euro NCAP in Auftrag gegebene Studie.

Tatsächlich gibt es laut Stefan Poledna, Mitbegründer und Technischer Vorstand der TTTech Auto in Wien, einem der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet, global nach wie vor kein einziges autonomes Serienfahrzeug auf der Straße. Tesla ist da keine Ausnahme. Nach der Einteilung der Automatisierungsstufen (Level) der SAE, der Society of Automotive Engineers, erfüllt Tesla Level 2 auf der sechsteiligen Skala von SAE. Diese reicht von Level 0, Fahren ohne Fahrassistenz, bis zu Level 5, dem vollautonomen Fahren in Fahrzeugen ohne Lenkrad und Pedale, wo keine Lenker mehr nötig sind.

Mercedes fährt als Erster wirklich automatisch auf Level 3
Hände ganz weg vom Steuer? Vorher kommt noch automatisiertes Parken in speziellen Parkhäusern. Foto: Mercedes-Benz

Mercedes-Benz bekam im Dezember 2021 laut eigener Aussage als weltweit erster Automobilhersteller eine international gültige Systemzulassung für hochautomatisiertes Fahren gemäß des Levels 3 der SAE-Skala. Es handelt sich dabei um das sogenannte Fahrsystem „Drive Pilot“. Dieses erlaubt automatisiertes Fahren auf der Autobahn ohne Zutun des Fahrers und soll als Erstes noch heuer in der S-Klasse sowie im EQS in Serie gehen. Auch automatisiertes Parken in speziellen Tiefgaragen wird innerhalb der nächsten zwei Jahre erwartet.

Mercedes fährt als Erster wirklich automatisch auf Level 3
Stefan Poldena, Mitbegründer von TTTech und Automatisierungspionier der ersten Stunde. Foto: TTTech

Zu früh: Audi Staupilot

Der von Audi 2017 vorgestellte und international vielbeachtete „Staupilot“, der auf mehrspurigen Straßen die Fahraufgabe bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h übernehmen konnte, ging schlussendlich nicht in Serie. Der „Staupilot“ entsprach bereits dem Level 3 von SAE, aber seine Einführung erwies sich „als komplexer und zeitintensiver, als viele dies erwartet hatten“, so ein Audi-Sprecher.

Der Wettlauf um die Serieneinführung autonomer Fahrzeuge ist auch ein Wettkampf zwischen „Neuer“ und „Alter“ Industrie, sprich, zwischen den vorwiegenden IT-Giganten wie Google, Apple, Microsoft aus den USA und traditionellen Autoherstellern. Die IT-Branche sah nicht nur für sich selbst enormes Umsatzpotenzial, sondern auch verlockende Gewinne für andere Branchen wie Taxi- oder Frachtunternehmen. Mit autonomen Fahrzeugen könnten sich diese Unternehmen viele Lenker ersparen, die rund 30 Prozent der „Betriebskosten“ ausmachen.

Während deshalb die IT-Branche für eine möglichst schnelle Einführung war, setzten die Autohersteller auf eine schrittweise Umsetzung. Die Entwicklung der vergangenen Jahre scheint ihnen Recht zu geben. Mit der schrittweisen Umsetzung finden sich immer mehr Fahrassistenzsysteme im Auto, von Hilfen über die Regelung von Abstand bis zu Geschwindigkeit, von der Lenkung bis zum Spurwechsel. Der Vorteil: Sowohl die Industrie wie der Konsument sammeln damit Erfahrung. Kunden fällt es somit leichter, sich daran zu gewöhnen. Die Autohersteller wiederum können frühzeitig „Kinderkrankheiten“ neuer Systeme beseitigen.

Unterstützt wird dieser Trend durch die Vorgaben von EuroNCAP, die viele Assistenzsysteme voraussetzen, wenn ein neues Modell beim Crashtest möglichst gut abschneiden soll.

Autonome Serienfahrzeuge ab 2030

Es gibt es aber auch bei der Technik noch enormen Verbesserungsbedarf bis zur Serienreife, zudem müssen neue Normen geschaffen sowie etwa das Straßenverkehrsrecht auf automatisiertes Fahren angepasst werden. Dies im internationalen Kontext zu verhandeln, dauert Jahre, wie auch Waymo/Google & Co. zur Kenntnis nehmen müssen.

Deshalb sind bereits selbstfahrende Vehikel derzeit nur in speziell abgegrenzten Gebieten unterwegs, etwa in Minen, beim Militär, auf Firmenparkplätzen oder in Häfen. Stefan Poledna von TTTech Auto rechnet erst für 2030 mit autonomen Serienfahrzeugen.

Maria Brandl

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