Eigentlich hat niemand so ein Auto erwartet. Und schon gar nicht von Fiat, dem seit Jahrzehnten krisengebeutelten Autokonzern, der an eine Retro-Welle geklammert, einen vereinsamten US-Autokonzern (Chrysler-Jeep) umarmt hat, und jüngst erst wie Opel in den Fängen eines französischen Auffanglagers für verlorene Autokonzerne gelandet ist (PSA-Konzern mit Peugeot und Citroen, jetzt Stellantis). Was für eine Geschichte!
Und hier dieses Auto. Wie der Angsttrieb, der den Wipfel einer sterbenden Fichte noch einmal prächtig gedeihen lässt, steht dieses Auto glänzend da. Scheinbar in letzter Sekunde hat man alles auf eine Karte gesetzt: Der neue Fiat 500 kommt nur mehr elektrisch, und basta, hieß es. Klingt gut, ist sicher wahr, lässt aber noch eine zweite Wahrheit offen.

Tatsächlich hat Fiat nach dem äußeren Strickmuster des erfolgreichen Dauerbrenners 500 ein neues Auto gebaut, das es nur mehr elektrisch geben wird. Der alte 500 wird aber eh weitergebaut so lange es einen Markt dafür gibt, und das wird noch lang sein, kosmetische Retuschen inklusive.
Keine Zugeständnisse an die Selbstabholer-Gesellschaft
Fiat 500e also. Es ist ein Fronttriebler. Es ist keine Plattfomstrategie erkennbar. Es ist gelungen, erstaunlich große Batterien in diesem kleinen Auto unterzubringen. Ein Renault Twingo oder gar ein Smart kann da nur neidvoll rüberblicken, Das ganze Konzept ist unter konsequenter Missachtung praktischer Details entstanden. Keine vier Türen, keine Heckklappe, null Zugeständnis an die Selbstabholergesellschaft. Dieses Immer-alles-können-Müssen macht die Autos ja oft so uncharmant. Hier geht’s ums Fahren, um Mobilität natürlich, aber auch um frische Luft und ein gutes Lebensgefühl –auch noch mit einem ziemlich guten Gewissen, falls einem die künftigen Lebensumstände der heute noch Jungen nicht wurst sind.

Das Cabrio stellt naturgemäß die Verdichtung der leichtfüßigen Denkrichtung dar. Die Behändigkeit, mit der man prinzipiell mit diesem Elektroauto dahinwuselt, wird noch durch ein paar Luftwirbel im Haar ergänzt, aber so wild ist das eh alles nicht, weil es sich beim Stoffdach eigentlich mehr um ein talentiertes Schiebedach handelt. Der Kleine macht sich immerhin die Mühe, auch noch die Heckscheibe zu versenken. Natürlich quält man heute niemanden mehr mit einem Fetzendachl mit unsäglich klemmenden Verschlüssen, wie das bei Fiat und Alfa früher normal war. Das Rollo faltet sich bei allen Ausstattungsversionen geschmeidig vollelektrisch nach hinten und dichtet auch nach dem Zumachen wieder perfekt.
Schüchtern war man nie beim Preis
Schüchtern war man nie beim Preis für einen Fiat 500, und schon gar nicht ist das beim elektrischen Cabrio so. Unser Modell in Top-Ausstattung La Prima steht mit € 38.490 in der Liste. Dann gibt es aber nur mehr eine Alarmanlage und eine Sitzheizung als Aufpreisposten, alles andere inklusive. Von Grund auf zielt der 500e eher auf ein Publikum, das sich etwas gönnen will. Eine Version mit weniger Leistung (95 statt 118 PS) und einer kleineren Batterie 24 statt 42 kWh) wird auch nur in Basisausstattung angeboten. Außerdem wichtig: Man hat nur die Wahl zwischen Cabrio oder dem Modell 3 +1 mit den beiden gegenläufigen Türen vulgo Magic Door auf der Beifahrerseite, das um 1000 Euro billiger ist als das Cabrio.

So ist die Auswahl eingegrenzt, und wir begeben uns ins Innere. Kunstleder hatte früher einen üblen Ruf, erlebt heute aber unter dem Begriff „vegan“ eine Renaissance, von der Armaturenbrettverkleidung über das Lenkrad bis zu den Sitzen. Das sieht heute auch viel besser aus als das so genannte Skai seinerzeit und fühlt sich einwandfrei an. Und beim Cabrio ist der Synthetik-Bezug sowieso besser: Gut zu reinigen und schnell wieder trocken, wenn man das Dach mal im Saharawindsturm oder Regenguss offen gelassen hat. Das geht auch mit den hellen freundlichen Farben besser zusammen.
Mehr Reichweit als die Konkurrenz
Eine elektrische Türverriegelung per Knopfdruck hätten wir uns jetzt nicht gerade vom kleinsten Elektroauto erwartet, aber vielleicht übt man nur für die größeren. Es gibt aber zusätzlich eine manuelle Entriegelung ähnlich einem Seilzughebel für die Motorhaube. Das beruhigt immens.
Die Platzverhältnisse sind sehr ähnlich dem normalen 500er. Es ergibt sich keine spürbare Einschränkung für die Sitzposition durch die Batterien am Unterboden. Das ist durchaus bemerkenswert angesichts der vielen Elektro-Modelle, die sich regelrecht in die SUV-Statur flüchten, um Platz für die Batteriepakete am Unterboden zu gewinnen.

Trotz des Frontantriebs weist der 500e eine vergleichbare Wendigkeit zum heckgetriebenen BMW i3 oder Renault Twingo auf, ein unbezahlbarer Vorteil im Großstadtgewusel. Aber auch die Wurfweite kann sich sehen lassen. Mit 42 kWh Batterieinhalt kommt man ein ordentliches Stück weit. Bei mittleren Temperaturen und niedrigen Geschwindigkeiten in der Stadt an die 300 km, aber selbst im Winter und bei flotter Fahrweise immer noch deutlich über 200 km. Da kommt ein Twingo (immerhin mit Faltschiebedach) nicht mit und schon gar nicht der Smart (auch als Cabrio). Auch preislich über den beiden positioniert kostet das Fiat Cabrio fast so viel wie ein BMW i3, bei dem das Ankreuzeln der Aufpreisliste bei knapp 40.000 Euro aber erst beginnt. Wenn man’s billiger will und eine ähnliche Reichweite, bleiben nur mehr VW Up und seine Klone, die gibt’s aber nicht in Frischluftversion.
Rudolf Skarics
Fiat 500e Cabrio: ab € 31.390,-
Antrieb: Fronantrieb.
Motorleistung: 87 kW (118 PS)
Drehmoment: 220 Nm
Batterie: 42 kWh
Laden: Wechselstrom bis 11 kW, Gleichstrom bis 85 kW
Sitzplätze 4
Dimensionen: L/B/H: 3632/1683/1527 mm
Kofferraum 185-550 l
Gewichte: Leer/Zuladung/Anhängelast 1395/400/0 kg.
Beschleunigung 0-100 km/h 9,0 sec
Spitze 150 km/h
Verbrauch Strom: 14,0-14,9 kWh/100 km
Reichweite: 298-321 km
Infomaterial