Hyundai Ioniq 5: Die Zukunft ist aufrecht

Nachdem Volkswagen die Botschaft von einer reinen Elektroplattform in die Welt hinaus geschickt hatte, hielt sich auch Hyundai nicht mehr zurück und präsentierte ein ähnliches Konzept. Voraussetzung für so einen radikalen Schritt ist es, sehr rasch sehr hohe Stückzahlen zu erreichen, um die enormen Entwicklungskosten zu amortisieren. Hyunda-Kia ist das als viertgrößtem Autohersteller der Welt ohne Wimpernzucken zuzutrauen. Dabei hat man diesen Schritt von Hyundai und der Schwestermarke Kia nicht unbedingt und so schnell erwartet. Die Koreaner hatten ja bereits eine Mischplattform sehr erfolgreich eingeführt, das heißt, eine Fahrzeugarchitektur, die sich einigermaßen kostengünstig sowohl als Elektroauto als auch als Verbrenner realisieren ließ, Beispiel Hyundai Kona. Jetzt also Ioniq 5: Batterien flach am Wagenboden, ein Motor hinten, auf Wunsch noch ein zweiter vorne. Mit identischer Technik gibt es auch den Kia EV6, der charakterlich aber eher sportlich angelegt ist. Die genaue Bezeichnung unseres Testwagens lautete Hyundai Ioniq 5 Top Line Long Range 2WD.

Hyundai Ioniq 5: Die Zukunft ist aufrecht
Das Innenraum ist ansprechend, ein bisschen klassisch, ein bisschen futuristisch, ein bisschen retro. Die Mittelkonsole ist längsverschiebbar, so kann man sogar auf die Beifahrerseite rüberrutschen. © Skarics

Platz*****

Während die Volkswagen-Gruppe bereits mehrere sehr unterschiedlich zugespitze Modelle auf Basis des so genannten Modularen E-Antriebs-Baukastens realisiert hat (VW ID3, ID4, Audi Q4, Skoda Enyaq, in Kürze Cupra Born), startet Hyundai mit einer Extremversion: Der Ioniq 5 passt in keine Schublade, schert sich nicht um Begriffe wie Kombi, SUV oder Van. Er gehört nirgends dazu und zugleich überall, er ist das Crossover vom Crossover. Diese radikale Art der Raumnutzung bringt im Grunde eine neue Fahrzeuggattung hervor: Die aufrechte Kiste im besten Sinn. So ein Platzwunder gab es seit dem Fiat Ritmo (1978) nicht mehr.

Und so ist das auch mit dem Platzangebot: Rekordverdacht auf allen Linien, allen Flächen, in allen Räumen. Dazu kommen noch zwei wichtige Details: Die weiträumig längs verschiebbare Rückbank, die uns freie Wahl lässt für mehr Passagiere oder mehr Gepäck. Und ein einigermaßen freier Durchstieg zwischen Fahrer- und Beifahrerseite mit verschiebbarer Mittelablage. Da können sogar patscherte Leute mit 100 kg noch ziemlich elegant von der Beifahrerseite auf die Fahrerseite rüberrutschen, wenn die Fahrertür mal verstellt ist.

Hyundai Ioniq 5: Die Zukunft ist aufrecht
Fährt sich sehr gut und vor allem sicher, lässt lediglich kurze Stöße durch. Der Luftwiderstand ist trotz kantiger Form gering. Foto: © Hyundai

Fahren****

Die konsequente Raumausnutzung hat die Antriebs- und Fahrwerktechniker durchaus vor eine anspruchsvolle Aufgabe gestellt. Federung und Dämpfung müssen den weiten Spagat zwischen Abroll- und Federungskomfort und überschaubaren Wank- und Nickbewegungen des Aufbaus schaffen. Der Kompromiss ist sorgfältig gesucht worden und zugunsten des Komforts ausgefallen. Auch wenn das Fahrwerk des Ioniq 5 kurze Stöße nicht so gut wegsteckt, komfortables Reisen ist garantiert, mit insgesamt wenig Abroll- und Windgeräuschen. Fahrdynamisch ist der Ioniq 5 auch mit Hinterradantrieb schon gut aufgestellt, und mit 160 kW (218 PS) sehr erquicklich. Allrad drängt sich eigentlich nur in gebirgigen Gegenden mit langen Wintern auf. Dort kann man am ehesten noch von der zusätzlichen Leistung des vorderen Motors profitieren.

Hyundai Ioniq 5: Die Zukunft ist aufrecht
Eine kurze Ladezeit ist die neue Beschleuigung: Der Ioniq erreicht die Werksangabe von 220 kW, lässt ab der Hälfte aber etwas nach. Länger als eine Viertelstunde steht man kaum an der Ladesäule, wenn man nur bis 80 Prozent lädt. © Skarics

Qualität****

Die verwendeten Materialien sind gut, aber naturgemäß dem Preisdruck geschuldet nicht vom Teuersten. Die Verarbeitung, sagen wir es so: auf hohem Standard. Wohlfühlatmosphäre kommt auch vom freundlichen ästhetisch gelungenen Innenraumdesign, eine Art sanfter Futurismus mit Retro-Touch, wie das jetzt auch bei hochwertigen Audio-Geräten fürs Wohnzimmer üblich ist. Da hat man der Vokswagen’schen Nüchternheit einiges voraus.

Hyundai Ioniq 5: Die Zukunft ist aufrecht
Hervorragende Raumausnutzung, aber der Kofferraum ist nicht sehr tief. Unter dem Kofferraumboden kann man immerhin Ladekabel und Kleinzeug verstauen. © Skarics

Innovation****

Die 800-Volt-Spannungsebene (siehe Elektrotechnik) kann als echter Wettbewerbsvorteil gesehen werden, vor allem was die extrem kurze Ladezeit betrifft. Schon erstaunlich, dass sich Hyundai hier auf dem Spannungsniveau von Porsche bewegt, sogar das neue Flaggschiff von Mercedes, der EQS kommt mit 400 Volt aus. Abgesehen davon bietet der Ioniq 5 den heute üblichen Standard – funktional einwandfrei. Schon in der Basisversion ist ein adaptiver Tempomat enthalten. Auch das Head-up-Display entspricht dem letzten Stand der Technik mit Augmented-Realitiy, also vorgetäuschte Projektion der Daten auf die Fahrbahn. Sehr angenehm. Die größt Schlauheit liegt aber in der Feinabstimmung des Elektroantriebs. Dort wird nämlich der Verbrauch im wahren Leben entschieden, und der ist sehr moderat.

Hyundai Ioniq 5: Die Zukunft ist aufrecht
Gute Sitze für viele Stunden im Auto – und im Stau. Foto: Skarics

Alltag*****

Hyundai ist ein Meister darin, es möglichst vielen recht zu machen. Und man hat so den Eindruck, die Koreaner treffen den europäischen Geschmack und die Gewohnheiten ziemlich genau auf den Punkt (während japanische Autos immer ein bisschen wie aus einer anderen Welt wirken, im Design wie in der Bedienung). Also: Gutes Auftreten trotz maximaler Raumausnutzung. Die zahlreichen Falten und Kanten an der Karosserieoberfläche brechen nicht nur geschickt das Licht, sondern auch den Eindruck von gnadenloser Nützlichkeit.

Innen wirkt das Auto eine ganze Wagenklasse größer, was sich natürlich in einer hohen Alltagstauglichkeit niederschlägt. Nur dem Kofferraum fehlt es an Tiefe. Unter dem Boden, wo sich bei manch anderem Auto noch eine richtige Höhle befindet ist nur mehr für die Ladekabel Platz.

Hyundai Ioniq 5: Die Zukunft ist aufrecht

Elektrotechnik*****

Die 800-Volt-Spannungsebene lässt auf dieser Plattform von Hyundai/Kia noch einiges an Leistungsspitzen erwarten, in unserem Zusammenhang ist das aber nur fürs Laden bedeutend: Tatsächlich lädt der Ioniq 5 mit den angegebenen 220 kW bis die Batterie halbvoll ist, dann sinkt die Ladeleistung auf etwa 170 kW ab – immer noch weit mehr als die Konkurrenz auf 400-Volt-Basis. Ab 80 Prozent Füllungsgrad geht’s dann weiter bergab. Wichtiges Resummee: Das Laden von 25 auf 80 Prozent an einer Hochleistungs-Ladesäule dauerte keine 15 Minuten. Da ist der brühheiße Kaffee von der Tankstelle noch nicht einmal auf Trinktemperatur heruntergekühlt.

Hyundai Ioniq 5 Long Range: ab € 48.990,-
Hyundai Ioniq 5 Top Line Long Range: € 56.990,-.
Preis des Teswagens mit allen Extras: € 60.650,–
Katalog: Elektroautos in Österreich
Preisliste/Technische Daten

Antrieb: Hinterradantrieb.
Motorleistung: 160 kW (218 PS)
Drehmoment: 350 Nm
Batterie: 72,6 kWh
Laden: Wechselstrom bis 10,5 kW, Gleichstrom 225 kW
Sitzplätze 5
Dimensionen: L/B/H 4635/1890/1605 mm
Kofferraum 531-1591 l
Gewichte: Leer/Zuladung/Anhängelast 1910-1990/520-440/750 kg.
Beschleunigung 0-100 km/h 7,4 sec
Spitze 185 km/h
Verbrauch Strom: 16,8 kWh/100 km
Testverbrauch Strom: 18,2 kWh/100 km
Reichweite: 481 km

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