Beginnen wir mit der dritten Etappe unserer Tour d’Autriche über den Großglockner: Die Reichweite stürzt schon im ersten Steilstück, man wäre fast geneigt zu sagen, ins Bodenlose. Laut Anzeige am Armaturenbrett ruft der Motor aufgrund der Steigung gerade zwischen 30 und 40 Kilowatt Leistung ab. Das ist ungefähr das Drei- bis Vierfache gegenüber Autobahntempo 110 km/h. Ich fahre aber nur 30 km/h. Wenn das so weiter geht, erreiche ich nicht einmal die Ladestation beim Haus Alpine Naturschau auf Kilometer 25,4 der Passstraße. Der Großglockner bietet aber noch eine weitere Härte für ein Elektroauto. Er hat zwei Scheitelpunkte. Schaffst du den ersten knapp, erreichst du womöglich nicht den zweiten und rollst zwischen den beiden Talübergängen ohne Saft aus. Aus der Perspektive der ersten Serpentinen des Anstiegs in Richtung Süden erscheint eine Reise mit einem Elektroauto über den Großglockner ziemlich verwegen. Wir wollen heute noch bis Heiligenblut, dem hübschen Tourismusdorf an der Südflanke des Glockners. Doch die theoretische Reichweite übertrifft schon nach wenigen Kilometern nur mehr geringfügig die tatsächliche Entfernung zum Ziel. Es bleibt spannend.
Kahlenberg oder Semmering, lieber gleich Großglockner
Ausgangspunkt unserer Reise über den Großglockner war der Wiener Kahlenberg. Die Ergebnisse bezüglich Verhalten auf dem Berge mit dem Opel Ampera-e erschienen ermutigend, aber mit vielen Unsicherheiten behaftet (detailliertes Testprotokoll hier). Allen Zweifeln voran die Frage: Was würde passieren, wenn es nun doch nicht gleich wieder bergab ginge. Eines war klar, auch der Semmering konnte wohl nicht genügen, um ein zeitgemäßes Elektroauto wirklich zu stressen. Die Großglockner Hochalpenstraße ist mit 2.504 Metern einer der höchsten Passübergänge der Ostalpen. Höhenunterschied von der Basis in Bruck an der Glocknerstraße bis zum höchsten Punkt der Reise: 1.748 Meter. Mehr Herausforderung gibt’s nicht, zumindest auf öffentlichen Straßen in den gesamten Ostalpen.
Elektro-Golf und Glockner also. Ausgestattet mit einer Ladekarte des Stromproviders Smatrics machten wir uns an die Routenplanung. Die Verbund-Tochter ist derzeit das einzige Energieunternehmen mit einem eigenen flächendeckenden Ladenetz in Österreich und einem Internet-Auftritt, der durchgängig auffindbare und lückenlos funktionstüchtige Schnellladesäulen für eine verlässliche Routenplanung verspricht.
Erste Etappe: Ziel Asten, kurz vor Linz
In dem sicheren Wissen, dass wir durch zügelloses Fahren auf der Autobahn nicht einmal bis dorthin kommen würden, pegeln wir unser Tempo bei 100 km/h ein. Reichweite und zurückgelegte Kilometer halten wir damit in
sicherer Balance. In Asten erwartet uns die Zukunft pur. An der OMV-Tankstelle direkt an der Autobahnabfahrt gäbe es neben Benzin, Diesel, Erdgas und Strom auch noch Wasserstoff. Die Ladesäule ist frei. Also anstecken. Sogleich meldet der e-Golf an die Ladesäule, dass er bei aktueller Restreichweite von 77 Kilometer am 50-kW-Gleichstomkabel 25 Minuten benötigen wird, um 80 Prozent der vollen Reichweite zu erlangen. Nach 26 Minuten sind tatsächlich 80 % erreicht. Die Batterie ist nach 45 Minuten zu 100 % voll. Unser gesamter Aufenthalt dauert genau eine Stunde.
Rückblickend erscheint das Fahren mit 100 km/h ziemlich stressig. Immer wieder sind Lkw zu überholen, wofür man ziemlich lange braucht. Das vermeintliche Recht des Stärkeren äußert sich in einer Schamlosigkeit, mit der die üblichen Verdächtigen in ihren üblichen verdächtigen Autos sich an unser Heck kleben. Mit nachgerade armseliger Eil-Physiognomie, die ihnen regelrecht ins Gesicht geschnitzt erscheint, versuchen sie dich wegzubeamen. Aber wir wollen ja Kilometer machen, da heißt es Haushalten mit der Energie. 130 km/h würde die Reichweite einer Stromladung annähernd halbieren.
Zweite Etappe: Ziel Bischofshofen
Der Lastauto-Überholstress lässt uns mit anderer Geschwindigkeit experimentieren. Gleich schnell wie die Lkw geht gar nicht, weil die fahren ihrerseits nicht wirklich gleich schnell. Also erhöhen wir auf 110 km/h. Jetzt brauchen wir zum Überholen nur mehr halb so lang. Auch die Reichweite schrumpft nicht dramatisch gegenüber 100 km/h. So geht’s besser. In Bischofshofen finden wir die Smatrics-Säule bei einem Einkaufszentrum. Ein Hebebühnenfahrzeug droht die Zufahrt zu blockieren,
ist aber eh nicht wirklich im Weg. Ähnliches Szenario wie in Asten. Fast gleiche Restreichweite, aber etwas längere prognostizierte Ladezeit. Wir essen im Merkur-Markt. Die Befürchtung, jemand könnte vor uns dort sein und gerade erst mit dem Laden begonnen haben, was eine zusätzliche Stunde Wartezeit zur Folge hätte, bestätigt sich glücklicherweise nicht.
Dritte Etappe: Großglockner-Hochalpenstraße
Die ersten Kilometer bis Bruck an der Glocknerstraße und bis hinein nach Fusch am Fuße des Glockners sorgen für Optimismus. Das sind ideale Elektroautobedingungen. Unter anderen Umständen würden wir bei solchen Verkehrsverhältnissen eher von nervigem Bundesstrassengezuckel sprechen. Immer zwischen 50 und allerhöchstens 90 km/h. Das senkt der Stromverbrauch phasenweise unter 10 kWh auf 100 km. Dann kommt die Mautstelle der Großglockner Hochalpenstraße, und was dann kommt, haben Sie im Detail schon in der Einleitung gelesen. Bergfahren kostet enorm Energie, davon können nicht nur die vielen Radfahrer als Glockner-Bezwinger sprechen. Wir versuchen uns also mit zartem Füßchen am Strompedal. Es ist nicht unsere Intention, zu beweisen, dass Elektroautos im Gebirge keinen Sinn machen, sondern herauszufinden, was ein e-Golf am Berg kann, wo seine Grenzen sind, und ob sich der Berg womöglich als Hindernis für die Verbreitung der Elektromobilität darstellt.
Schon die Fahrt hinauf zum ersten Scheitelpunkt der Glocknerstraße, dem Fuscher Törl auf 2.428 Meter, macht uns klar: Würden wir womöglich auch noch voll bepackt, volles Rohr hinaufströmen, müssten wir unsere Reise aus Reichweitemangel vorzeitig abbrechen. Das ist aber am Glockner zu Reisezeiten sowieso nicht möglich. Mit dreißig Stundenkilometer in den steilen Passagen reihen wir uns eher unauffällig in die ebenso dahinbummelnden Urlauber ein. Die Landschaft ist prächtig. Wir werden auch nur selten überholt.
Der erste Scheitelpunkt
Am ersten Scheitelpunkt, wo es auch gratis Strom zum Nachtanken gäbe, haben wir noch eine Reichweite von 57 Kilometer am Tacho, gerade noch 18 km mehr als die verbleibende Strecke nach Heiligenblut mit Abstecher zur Franz-Josefs-Höhe. Ein hübsches Pölsterchen durchaus, könnte man sagen, aber es gibt ja nach erheblichem Gefälle noch einen zweiten Scheitelpunkt zu überwinden und auch noch einen Anstieg zur Franz-Josefs-Höhe zu erklimmen. Jetzt geht’s aber erst einmal bergab. Die ersten Erfahrungen vom Kahlenberg finden hier eindrucksvolle Bestätigung. Auch der Golf rekuperiert und lädt die Batterie mit teilweise 30 Kilowatt und mehr. Fährt fast zur Gänze ohne Einsatz der Radbremsen. Die Reichweite schnellt in die Höhe, die Reichweitensorge geht in leicht adrenalingestützte Freude über. Der zweite Scheitelpunkt, das Hochtor, wird in elegantem Schwung genommen.
Jetzt ist klar: Wir hätten zuvor bergauf ruhig noch ein bisschen mehr Strom geben können, aus sportlicher Sicht sind wir doch zu sehr auf Nummer sicher
gegangen. Der Abstecher zur Franz-Josefs-Höhe, zum großen Parkhaus am Pasterzen-Gletscher, wurde sodann zur touristischen Genusspartie. Herrliche Bergwelt und siehe da: Tesla hat hier drei Supercharger aufgestellt und der kärntnerische Energieversorger Kelag auch zwei Säulchen zum Laden aller anderen Elektroautos, nämlich gratis, allerdings nur Wechselstrom, kein Schnellladen mit Gleichstrom, also eine eher schwache Ansage für Elektroautos auf der Durchreise.
Umweltthema Glocknerstraße
Immerhin: Dahinter steckt mehr als nur ein willkommener Service für E-Auto-Touristen. Die Großglockner-Hochalpenstraße ist als Tourismusmagnet und bedeutender Wirtschaftsfaktor in der Region auch immer wieder Angriffen seitens des Naturschutzes ausgesetzt. Der Diesel-Skandal hat diesen Gegenwind auch noch verstärkt. Immerhin führt sie mitten durch den Nationalpark Hohe Tauern und erschließt ein höchst sensibles Naturreservat. Mit Elektromobilität wäre man da fein raus für die nächsten hundert Jahre. Deshalb ist man den Stromautos äußerst wohlgesinnt, gewährt ihnen sogar einen saftig begünstigten Mauttarif.
Die Abfahrt ins kärntnerische Heiligenblut gestaltet sich mit enormem Zugewinn an Reichweite freudig. Der höchst aufmerksame und umsichtige Herr Senger vom gleichnamigen Chalet-Hotel empfängt uns bereits an seiner Steckdose, auf dass wir über Nacht den e-Golf für die Heimreise wieder fit machen. Hier werden normalerweise die e-Bikes geladen. Der e-Golf präsentiert folgenden Daten: Reichweite: 139 Kilometer, das heißt von Bischofshofen bis Heiligenblut effektiv nur eine halbe Batterieladung verbraucht, obwohl der Akku am ersten Scheitelpunkt des Glockners schon fast leer war. Voraussichtliche Ladezeit: 9 Stunden und 30 Minuten. Es ist eine Haushaltssteckdose mit 230 Volt. Hier zieht der Golf eine Ladeleistung von 2 Kilowatt, was von der Netzbelastung her ungefähr einem Wasserkocher entspricht. Die Welt ist in Ordnung. Die wichtigste Erkenntnis so gut wie sicher: Das Bergfahren ruft bei vernünftiger Fahrweise keinen nennenswert höheren Stromverbrauch gegenüber dem Flachland hervor. Es gibt keinen Grund, dem Elektroauto im Gebirge zu misstrauen, ganz im Gegenteil: Während es entlang der Glocknerstraße nach dem Bremsstaub konventioneller Autos stinkt, ist es mit dem e-Golf möglich, einen der höchsten Alpenpässe zu überqueren, ohne auch nur einen Kilowatt an Lageenergie in nutzlose Wärme zu verwandeln.
Überraschung am Perchauer-Sattel
Allerdings sollte auf der Heimreise doch noch eine Überraschung auf uns warten. Entlang des Wörthersees knobeln wir die Rückreiseroute aus. Wir beschließen, nicht in Wolfsberg zu tanken, um den Packsattel mit frisch gefüllten Batterien anzusteuern, sondern wählen die Route durch das Murtal und über den Semmering nach Wien mit Laden in Judenburg. Gedankenlos geben wir Strom und merken am Zusammensacken der Reichweite, dass es nach der Abzweigung in Klagenfurt nach Norden ganz schön bergauf geht. Der Reichweiten-Poker ähnelt frappant dem Großglockner, nur dass sich hier alles bei viel höherer Geschwindigkeit und eher unerwartet abspielt. Auch auf dem Perchauer–Sattel übertrifft die Restreichweite nur mehr geringfügig die tatsächliche Entfernung bis Judenburg. In Judenburg ist durch emsiges Rekuperieren bergab die Welt aber wieder vollkommen in Ordnung. Auch hier: Smatrics-Säule leicht zu finden, direkt neben der Hauptstraße, aber voll in der Pampa. Die Auswahl zum Zeitvertreib: Tiernahrung oder McDonalds. Elektroautofahren macht dick, fällt mir dazu ein, wer heikel ist, muss hungern, sagt Fabian Caser, mein schlanker Copilot.
Der Semmering, eine Lapalie
Der Semmering kann uns nach bisherigen Erfahrungen nicht mehr schrecken, wir kämen jetzt sogar ohne Nachladen bis Wien, steuern aber sicherheitshalber in Wiener Neustadt noch eine Ladesäule an (immerhin Billa mit delikater Feinkostabteilung, um gleich die Essensfrage zu beantworten, daneben eine hochfrequentierte saubere Jet-Tankstelle) – und siehe da: Gleich ums Eck hat Tesla eine Ladestation hingestellt, mit eigener Trafoanlage und gleich acht Superchargern. Dagegen sehen die Ladestationen konventioneller Stromversorger eher notdürftig aus. Smatrics bietet zwar flächendeckend Säulen an, aber es erscheint nirgends realistisch, mehrere Autos gleichzeitig schnell zu laden. Und wir stellten noch etwas fest: Mit jeder Schnellladung dauert es ein bisschen länger. Jetzt schon eine ganze Stunde, um eine immer noch fast halbvolle Batterie auf 80 Prozent zu laden. Die Akkus lieben das Schnellladen nicht unbedingt. Wir nehmen aber an, dass sich nach mehrmaligem normalem Laden an der Wallbox daheim der ursprüngliche Zustand der Batterien wieder einstellt.
Technische Daten im Katalogteil
Text: Rudolf Skarics
Dokumentation: Fabian Caser
Fotos: laggers.at