Es hat sich eine Menge bewegt: Seit unserem ersten Elektroauto-Vergleich sind nun zweieinhalb Jahre vergangen, die zweite Generation Elektroautos ist mittlerweile am Markt, einzelne Modelle sind verschwunden, neue hinzugestoßen. So also die Bestandsaufnahme:

Mercedes: Alls neu
Mercedes krempelt seine Elektrolinie komplett um, weitet sein Angebot in den nächsten Jahren massiv aus und hat über alle Modelle hinweg eine eigene Markenbezeichnung namens EQ kreiert. Der Smart ist nun das erste greifbare Ergebnis der neuen Strategie. Die elektrische Mercedes B-Klasse, die beim letzten Mal sehr gute Figur machte, ist der Daimler’schen Neuorientierung bereits zum Opfer gefallen.

Volkswagen: viel angekündigt
Die breit angelegte Elektrooffensive von Volkswagen mit dem Code I.D. befindet sich noch zur Gänze im Projektstadium. Der Golf ist, derzeit neben dem elektrischen Up, noch die Vorhut für die großen Pläne mit modularem Elektrobaukasten. Trotzdem: Der Golf in seiner Elektroversion in mehrfacher Hinsicht trotz oder gerade wegen seiner konventionellen Art sehr lebendig, und hat im Vorjahr Batterien mit größerer Reichweite bekommen.

BMW: nächster Schritt eher konventionell
BMW brachte mit dem i3 den stärksten Charakterdarsteller. Auch er hat bereits eine Modellretusche mit Ausweitung der Batteriekapazität hinter sich. Es gibt ihn nun zusätzlich in einer etwas stärker motorisierten Variante. Dass der i3 mit Kohlenstofffaser-Monocoque ein Exote bleiben würde, zeigt sich wohl in der Tatsache, dass BMW als nächstes eher konventionelle Elektromodelle bringen wird, nämlich den Mini und den X3.

Hyundai-Kia: am Drücker
Mächtig am Drücker sind die Koreaner, namentlich Hyundai und Kia. Litt der elektrische Kia Soul beim letzten Vergleich wie alle anderen unter überschaubarer Reichweite, scheint das Problem nun mit dem Hyundai Ioniq behoben. Er reihte sich jedenfalls unauffällig in das erstarkte Konkurrenzfeld ein. In Kürze ist auch der kompakte SUV Hyundai Kona zu haben, und Kia hat einen elektrischen Niro angekündigt.

Renault und Nissan: zweiter Anlauf der Pioniere
Renault war einer der ersten, die dem Zoe in zweiter Generation deutlich größere Batterien verpassten. Nissan, seit 2010 schon am längsten von allen auf der Welt, hat schon zwei Schritte erldeigt. Nach einer Vergrößerung der Batteriekapazität folgt nun überhaupt eine Neuauflage. Damit ist der Leaf gemeinsam mit dem Smart das jüngste Modell.

Segeln versus Rekuperieren
Zwei wichtige Dinge, die mehr oder weniger für alle Kandidaten zutreffen, sind im Vergleich zum letzten Test zu betonen: Die Zuwächse an Batteriekapazität um teils mehr als die Hälfte wurden erreicht, ohne dass die Batterien wesentlich größer, wesentlich schwerer oder wesentlich teurer geworden wären. Ein klarer Fortschritt ist also ablesbar. Ein Teil der größeren Reichweiten geht aber nicht nur auf den gesteigerten Energieinhalt der Batterien zurück, sondern auch auf ausgeklügelte Betriebsstrategien. Ohne eine klugen Balance aus Segeln und Rekuperieren hätte ein Elektroauto keine Chance auf alltagstaugliche Reichweiten, schon gar nicht in gebirgigen Gegenden.

Reichweite größer, Schwankungen bleiben
Größere Batterien, größere Reichweiten, das ist unverändert das physikalisches Grundprinzip. Was sich allerdings nicht geändert hat, ist die Schwankungsbreite der Entfernungsangaben, auch das ein physikalisches Prinzip: Infolge des hohen Wirkungsgrads des Elektroantriebs sind Abweichungen bei der Reichwiete infolge von Fahrstil und Umgebungsverhältnissen naturgemäß gravierend. Mit der erheblichen Vergrößerung der Reichweiten ist das aber nicht mehr von so essenzieller Bedeutung, eine Frage von Hopp oder Trop. Sieht man, dass man noch ganz locker nach Hause kommt, darf man sich ruhig ein bisserl Spaß gönnen, ist die Reichweite schon geschrumpft, droht auch nicht gleich Gefahr es Hängenbleibens.

Knappe Reichweite: nur mehr Smart
Der Umgang ist um das entscheidende Maß lockerer geworden. Wir haben diesmal einen Fototag mit allen Elektroautos gemeinsam verbracht, und nur der Smart musste nachgeladen werden, alle anderen kamen noch mit üppiger Reserve zurück in die Redaktion. Fahren bis zum Stillstand war eigentlich kein Thema mehr, wäre uns schon ein bisserl zwänglerisch vorgekommen.

Abstimmung der Ladetechnik
Sparsamer Elektroantrieb in Kombination mit noch viel geringerer Energiedichte der Batterien bei gleichzeitig hohen Preisen für die Energiespeicher erzwingt einen klugen Einsatz der Ressourcen. Trotz Kapazitätserweiterung: Einfach maximal viele Batterien hineinzupacken kann sich vielleicht Tesla leisten, ist im aufkeimenden Massengeschäft aber nicht zielführend. Auch die dazugehörige Ladetechnik will wohl abgestimmt auf Fahrzeug und Verwendungszweck sein, damit das Publikum auch glücklich werden kann. Und das ist auch weitgehend gelungen.

Laden: Asiaten schwächeln
Die beiden Asiaten, Hyundai und Nissan müssen mit dem Handycap leben, dass in Österreich und Deutschland das einphasige Laden vom Stromnetz her mit 16 Ampere begrenzt ist. Somit nur mit eine Leistung von 3,7 Kilowatt Wechselstrom geladen werden kann, was entsprechend lange dauert, im Fall der Nissan-Batterien mit 40 kWh an die 12 Stunden. Drehstromladen mit 11 oder 22 kW geht nicht. Dafür ist Gleichstrom-Schnellladen mit bis zu 50 kW serienmäßig.

Laden: Europäer besser
Der Smart mit der kleinsten Batterie bietet serienmäßig beschleunigtes Laden bis 22 kW und erspart sich damit das Gleichstrom-Schnellladen ganz. Er ist auch so in einer Dreiviertelstunde voll. Renault spart sich ebenfalls das Gleichstrom-Schnellladen und ist sogar in der Lage bis 37 kW Drehstrom zu laden, was allerdings auch nur an speziellen öffentliche Schnellladestationen funkioniert. Beim BMW ist beschleunigtes Laden bis 11 kW serienmäßig, Gleichstrom-Schnellladen hingegen aufpreispflichtig, aber durchaus zu empfehlen, wenn man auch längere Strecken ohne lange Zwangspausen zurücklegen will. Eine spezielle Variante der Ladetechnik besitzt der VW Golf. Ihn kann man zweiphasig bis 7,2 kW laden oder mit Gleichstrom bis 50 kW.

Kostenfalle Aufpreisliste
Der Smart ist ein sehr logisches Elektroauto, der kurze fortwo als City-Flitzer sowieso, aber auch der lange fourfour. Er ist obendrein durch fünf Türen und klappbare Rücksitze sehr gut nutzbar. Beim Preis sollte man sich dann nicht ganz in die Irre führen lassen. Durch die kleinen Batterien kostet er scheinbar fast die Hälfte der anderen, ist zum Basispreis aber auch ein ziemlich nacktes Auto. Ähnlich wie beim BMW i3 kann man sich über die Aufpreisextras in schwindelerregende Preisregionen schrauben. Der Golf hingegen ist erstaunlich voll ausgestattet, jedenfalls was die technische Ebene mit sinnstiftenden Assistenzeinrichtungen anlangt, etwa Distanzregelung, hochwertiges Navi, LED-Scheinwerfer. Der Renault Zoe ist irgendwie noch ein Kleinwagen, reicht aber in seinen wesentlichen Eigenschaften durchaus an die drei Kompakten Hyundai, Nissan und VW heran. Das üppigste Platzangebot, sozusagen die ausgewachsene Limousine im Feld stellt der Nissan Leaf dar. Er ist ja seit die jüngste Kreation und hat wohl auch seine Batterien am besten verstaut: Riesenkofferraum und das Gewicht der Batterien ist beim Fahren kaum spürbar. Der BMW i3 ist mittlerweile schon zur Ikone der Elektromobilität geworden. Als Vorbild für andere taugt er trotzdem nur eingeschränkt, weil einfach sehr aufwendig und teuer zu produzieren.

Problemloser Alltag
Auch wenn die Datenlage alle sechs Autos weit auseinanderklafft, mit Normverbräuchen von etwas über 10 kWh/100 km bis an die 20 kWh/100 km, ist der Alltag mit allen sechs ähnlich gut zu bewältigen. Abgesehen vom Smart mit den kleinsten Batterien und der geringsten Reichweite sind alle so gut brauchbar, so dass man sich in seinen Bedürfnissen nicht extra verbiegen muss, es sei denn man hat einen Beruf in dessen Mittelpunkt das Autofahren steht. Als echte Lastesel sind sie aber alle miteinander nicht geeignet, Anhängerbetrieb ist nicht vorgesehen, kein Wunder, wenn sogar breitere Reifen die Reichweite spürbar verringern, etwa beim VW Golf von 300 auf 265 km.
Rudolf Skarics
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